Entdecke den Garten

Wo Schmetterlinge

überwintern

 

Unter den zahlreichen „Insektenhotels“ gibt es auch solche mit senkrechten Schlitzen in den Wänden geschlossener Hohlräume. Angeblich sollen hier Schmetterlinge überwintern. Eines ist klar: Schmetterlinge überwintern an unterschiedlichen Orten – nur dort keinesfalls!

 

Diese Federmotte hat sich die Bauerngartenhütte auf der GARTEN TULLN als Überwinterungsort ausgesucht.

 

Eines vorweg: Es gibt vergleichsweise wenige Flattermänner und -frauen, die bei uns als Falter überwintern. Aber diejenigen, die das tun, Zitronenfalter, einige Edelfalter (Tagpfauenauge, Kleiner und Großer Fuchs, neuerdings auch Admiral), das Taubenschwänzchen sowie einzelne Kleinschmetterlinge, etwa einige Federmotten. Die Idee hinter den Schmetterlingskästen ist, dass Tagfalter ihre Flügel im Ruhezustand über dem Körper zusammenfalten und so durch senkrechte Schlitze kämen. Doch erstens benötigen die Tagfalter zunächst einmal Landeflächen. Und an senkrechten Flächen landen die Edelfalter eher ungern. Ich habe ja das Glück, zum Teil in einem alten Bauernhaus aufgewachsen zu sein, mit einem nicht ausgebauten Dachboden unter einem Schindeldach, alten Schuppen, Ställen etc. Ein Paradies für Tiere. Darin überwinterten natürlich aus Schmetterlinge. Und ich konnte das Aufsuchen und häufiger das Verlassen der Winterquartiere live erleben. Womit ich bei zweitens bin: Niemals sah ich einen mit geschlossenen Flügeln durch einen senkrechten Schlitz marschierenden Schmetterling! Wenn ein Tagfalter durch einen Schlitz kriecht, dann immer nur mit geöffneten Flügeln durch einen waagrechten. Sie bevorzugen es aber, durch ausreichend große Öffnungen ein- und ausfliegen zu können. Schuppen mit Bretterverlschägen anstatt moderner Türen, Schindeldächer ohne Dachpappe, halboffene Ställe und natürlich alte Bäume mit Baumhöhlen, das sind die eigentlichen Insektenhotels! Fehlen solche Strukturen, dann nützen den als Falter überwinternden Edelfaltern weder Schmetterlingsflieder noch Pestizidverzicht.

 

Auf in den Süden – Distelfalter entfliehen der Kälte

 

Gerade unter den Edelfaltern, aber auch etwa unter den Schwärmern, gibt es auch Wanderfalter, die im Süden überwintern. Dazu gehören Distelfalter (Nordafrika, durch Klimaerwärmung vermehrt auch europäisches Mittelmeergebiet), Admiral (seit etwa der Jahrtausendwende werden die Alpen nicht mehr überquert), Totenkopfschwärmer (wohl eher ziellos aus den Tropen Afrikas ein- und nicht mehr rückwandernd), Windenschwärmer (tropisches Afrika), Gammaeule, Ypsiloneule und  Zürgelbaumfalter.

 

Besuch aus den Tropen: Der Totenkopf kann in Europa nicht überwintern.

 

Der Zitronenfalter hingegen mag Hohlräume gar nicht. Er liebt es, sich unter Efeu zu verbergen. Aber auch das muss nicht sein. Er setzt sich einfach in die unteren Regionen von Sträuchern oder abgestorbenen Staudensprossen. Dort sitzt er, solange es kalt genug ist, als abgestorbenes Blatt getarnt, oft von Reif überzogen, und wartet auf bessere Zeiten. Milde Winter sind das nicht. So -20 °C sind ihm da schon lieber. Ist es zu warm, benötigt er zu viel Energie und verhungert bis zum Frühling. Nektarreiche Winterblüher wie Winter-Jasmin, Winter-Heckenkirsche und Winter-Schneeball schaffen Abhilfe in längeren winterlichen Wärmeperioden. In der Natur sind Schneerose, Seidelbast und Weiden seine ersten Nahrungsquellen.

 

Zitronenfalter sitzen im Winter auch nicht anders da als im Sommer, nur geschützter.

 

Als klassisches Überwinterungsstadium bietet sich die Puppenruhe an. Dabei wird sowieso keine Nahrung aufgenommen und die Verwandlung zum Falter erfolgt temperaturabhängig. Nach Erreichen einer gewissen Temperatursumme schlüpfen die Falter im Frühling. Doch auch das machen nicht allzu zahlreiche blütenbesuchende Falterarten – etwa Schwalbenschwanz, Weißlinge, Osterluzeifalter sowie fast alle Schwärmer. Der Frühling ist die Zeit der Bienen, nicht der Schmetterlinge. Trotz großer Blütenfülle sind typische Falterblumen rar, viele Blüten gar für Schmetterlinge unzugänglich. Daher schlüpfen auch viele Puppenüberwinterer erst etwas später, als es ihre Metamorphose zulassen würde. Schwärmerpuppen ruhen tief im kühlen Boden und verzögern so ihre Entwicklung. Als Puppe überwinternde Tagfalter allerdings sind an Mauern oder Pflanzen zu finden. Winterlicher Schnitt gefährdet sie.

 

Klassisch: bei den Weißlingen überwintert die Puppe.

 

Was es aber im Frühling in großen Mengen gibt, ist frisches, zartes Grün. Und das benötigen Schmetterlinge auch. Nämlich als Raupen. Und da natürlich gerade für frisch geschlüpfte Raupen weiche Blätter angenehmer sind als harte, alte, wäre es doch günstig, als Ei zu überwintern. Tatsächlich tun das auch einige Arten. Aber auch das hat Nachteile. Denn viele Pflanzen ziehen ja im Winter ein. Wohin mit den Eiern? Falter finden passende Futterpflanzen mit dem Geruchssinn, der aber bei den Raupen mangels Fühlern nicht gut entwickelt ist.  Daher findet man überwinternde Eier vorwiegend bei Arten, deren Raupen an Gehölzen oder immer- und wintergrünen Pflanzen, etwa Wundklee oder Hornklee fressen. Ein ganz besonderes Problem hat der Schwarze Apollo. Seine Futterpflanzen, unsere knolligen Lerchensporn-Arten, sind nur zwei Monate im Jahr grün. Da sie im zeitigen Frühjahr austreiben und der Falter zu den großen Arten zählt, benötigen die Raupen die gesamte kurze Vegetationsperiode der Futterpflanzen. Die Falter können dann ihre Eier nicht mehr an die Pflanze legen, sondern an Steine und Wurzeln am Waldboden, seltener an vertrocknete Triebe der Futterpflanze. Die verrotten nämlich am feuchten Waldboden rasch. Da der Falter recht zeitig im Jahr, nämlich im Frühsommer fliegt, haben die Eier eine lange Ruhezeit. In Synchronisation mit der Futterpflanze schlüpfen die Raupen im zeitigen Vorfrühling aus dem Ei. Damit das funktioniert, entwickeln sie sich schon in Sommer und Herbst zur Raupe, überwintern aber noch in der Eihülle. Zahlreiche Arten machen das so. Die Überwinterung als Ei hat nämlich Nachteile: Eier sind sehr nährstoffreich. Und im Winter ist Nahrung knapp. Einige winteraktive Nacktschnecken der Gattung Ackerschnegel (Deroceras) haben sich auf Insekteneier spezialisiert. Je wärmer der Winter, desto mehr Eier fallen ihnen zum Opfer. Die fertig entwickelte Raupe hat schon viel an Nährstoffen verbraucht. Dennoch ist auch diese Lösung nicht optimal, weswegen ebenfalls viele Arten schon im Herbst aus der Eihülle schlüpfen und häufig auch schon zu fressen beginnen. Die beweglichen Jungraupen können besser Orte aufsuchen oder spinnen sich ein, wodurch sie geschützt sind.

 

: Svenssons Pyramideneule überwintert im Ei, damit die Babyraupen an den zarten Austrieben der Bäume knabbern können.

 

Vor allem in Lebensräumen, in den viele winterannuelle Pflanzen wachsen – das sind Arten, die im Herbst keimen und den Winter durchwachsen, um im Frühsommer zu blühen, wie Wintergetreide, Mohn und Kornblumen – sind viele Raupen schon im Herbst aktiv und überwintern dann im Boden und zwischen Pflanzen als dicke, fette Raupen. Wann immer die Temperaturen es zulassen, können sie weiterfressen. Auch in Wiesengesellschaften leben solche Arten, etwa viele Bärenspinner.

 

Die Raupen des Weißfleck-Widderchens überwintern gesellig in Gespinsten am Boden.

 

Egal ob Überwinterung als Ei, Raupe, Puppe oder Falter: Die meisten Arten sind darauf angewiesen, dass die Gärten, die sie bewohnen, nicht zu „ordentlich“ sind. Sie benötigen Pflanzenstängel, Laub etc. auch im Winter. Es gibt natürlich auch Arten, die an oder in Baumstämmen überwintern.
Sie sind durch kaum eine „Hygienemaßnahme“ zu gefährden. Wenn aber durch die Sauberkeit andere Arten im ökologischen Gefüge fehlen, können sie die Herrschaft im Garten leichter an sich reißen. Dazu gehören Frostspanner, Blausieb oder Weidenbohrer.

 

 

 

Fotos: Gregor Dietrich

Schon Entdeckt?

Obstbaumschutz am Winterende

Austriebspritzung oder Abwarten

Grüner Glanz bis Dreikönig

So behält der Weihnachtsbaum seine Nadeln

Wiesenmahd

und Staudenschnitt

Teilen | Drucken | Senden