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Edelweiß

Botanisches Wahrzeichen für gelungene Integration

 

Ist das Edelweiß für viele Symbol unserer Heimat, hat es für Botaniker einen starken Migrationshintergrund. Die Gattung entstand vor etwa 8-10 Millionen Jahren auf Hochsteppen rund um das mongolische Altai-Gebirge und ist auch in Tibet, Sibirien, China und Japan artenreich verbreitet.

 

 

Auf Wanderschaft machte das Edelweiß sich durch extreme Kälte und Vergletscherungen bereits vor 2,5 Millionen Jahren. Aber erst vor 10.000 Jahren kam das Edelweiß nach der Eiszeit in unseren Alpen an, die damals vegetationsfrei und steppenähnlich waren, nachdem der Eispanzer gerade erst abgeschmolzen war. Aus den griechischen Wörtern leon für Löwe und podion für Füßchen zusammengesetzt, lebt Leontopodium nivale ssp. alpinum, das Weiße Alpen-Edelweiß, heute mit weißlichem Filz, länglichen Blättern und 8 – 30 cm Höhe in den Alpen, Pyrenäen, im Jura-Massiv, am Ligurischen Apennin, nördlichen Balkan und in den Karpaten. im Flachland erfüllen sie nicht die Erwartungen und verlieren die natürliche Wuchsart.

Mit nur 1 – 5 cm Höhe, gräulichem Filz und kurzen, spatelförmigen Blättern wächst Leontopodium nivale ssp. nivale, das Gewöhnliche Alpen-Edelweiß dagegen südlicher: in den Abruzzen, im Dinarischen Gebirge und am südlichen Balkan. In Spezialgärtnereien für Steingartenpflanzen erhältlich, bleiben seine Vertreter in Form.

 

 

Fälschlich Blütenblätter genannt, schützen die 5 bis 15 Hochblätter das Edelweiß vor Hitze, UV-Strahlung und Austrocknung - bis in den Winter hinein. Fliegen, Hautflügler wie Bienen und Wespen, Falter und Käfer werden durch die an Schweiß erinnernden Duftnoten zur Bestäubung angezogen, aber auch Selbstbefruchtung ist möglich. Meist ist das Edelweiß zwittrig, seltener nur mit Stempel ausgestattet. Zur Verbreitung macht es sich Wind und Tierfell zunutze.

 

 

Kalkhaltige, trockene, mager-steinige Böden auf 1.800 und 2.200 Höhenmetern sind der bevorzugte Lebensraum der lichthungrigen Korbblütlerin, die aber auch auf 3.140 Höhenmetern nachgewiesen wurde. Zwar findet sie sich auch im alpinen Grün und noch weiter unten. In Almen und Wiesen ist ihr Filz weniger dicht und wirkt graugrün.

 

 

Die größte Edelweißsammlung weltweit hat der Botanischen Garten der deutschen Universität Gießen. Dort sind die Winter aber zu warm und feucht wie in den anderen 30 offiziellen europäischen Alpengärten und Steingärten der Großstädte. Auf den 180 m Seehöhe der GARTEN TULLN wächst dagegen Leontopodium souliei, das Steppen-Edelweiß, weitaus besser. Wird es regelmäßig nach der Blüte geteilt, kann es sich gut entwickeln. Dazu wird die Pflanze alle 2, 3 Jahre auf etwa 5 handtellergroße Teile geteilt.

Dass es das Alpen-Edelweiß auch dorthin verschlagen hat, liegt wohl daran, dass keine andere Blume gleichzeitig eine ästhetische, biologische, ökologische, geografische, historische, medizinische und selbst politische Bedeutung aufweist.

 

 

Zwar wächst das Edelweiß auch auf Felsen, seiner ursprünglichen Herkunft entsprechend ist es aber öfter in alpinen Rasen zu finden, vor allem seit es dank größeren Naturschutzbewusstseins nicht mehr an allen leicht zugänglichen Stellen gepflückt wird. Mit der beginnenden Industrialisierung ab Mitte des 19.Jahrhunderts stieg die Sehnsucht nach der Natur und die Eroberung der Bergwelt. Damit verbunden galt es seiner Liebsten eine besondere Blume zu pflücken, was einige mit dem Leben bezahlten. Mehr Mut, Treue, Patriotismus und Zusammenhalt bedeuten für das Edelweiß „harte Zeiten“: Früher wurde es deshalb massenhaft gepflückt, getrocknet, in Gläser gepfercht oder als gemaltes, gesticktes, geschnitztes, in Metall gegossenes Souvenir lobgepriesen. Als Symbol der Alpinvereine wurde es zunehmend auf die Hüte der Bergsteiger gepflanzt. Um vor Ausrottung durch die „Edelweiß-Industrie“ zu schützen, gibt es Aufrufe, strenge Schutzmaßnahmen, selbst erste Naturschutzgesetze.

Als der österreichische Bundespräsident Kirschschläger 1984 im Weißen Haus in Washington vom amerikanischen Präsidenten Reagan empfangen wurde, spielte die Kapelle der Marines statt der Bundeshymne „Edelweiß“ aus dem Musical „Sound of Music“. Die verdatterte Reaktion wundert mich kaum, denn etwa zur gleichen Zeit schmetterte eine resolute Dame Freund*innen und mir „They are coming from Austria and they don’t even know the Sound of Music“, entgegen.

 

 

Kaum eine Blume birgt so viel Symbolkraft als brand mark. Selbst in Bulgarien, England, Frankreich, Japan, Portugal, Russland, Schweden und Spanien verwendet man heute die deutsche Bezeichnung. Sämtliche politische Systeme und Bewegungen in Europa im 20. Jahrhundert verwendeten das Edelweiß als Symbol. Für Kaiser Franz Joseph und Elisabeth von Österreich schmückte deren Lieblingsblume in diamantener Zwillingsversion deren Haar. Selbst Nationalsozialisten ebenso wie deren antifaschistischer Widerstand setzten auf die Symbolkraft der Blüte. Ob in deutschsprachigen Militärverbänden, in Alpenvereinen, Bergwachten und Bergrettungsdiensten, als offizielles Brandzeichen der Haflinger Pferde, in Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben, als Biermarke, als Zeichen einer Schweizer Fluglinie oder auf verschiedenen Münzen - das Edelweiß scheint allgegenwärtig.

 

 

Je nach Sorte - wie `Alpina White´ oder `Helvetia´ - dient die Pflanze als Schnittblume oder für Kosmetika, Zuckerl und stärkt die Pharmazie. Im Bereich der Heilkunde forscht man an der Universität Innsbruck im Austausch mit Tibet am „Bauchwehbleaml“ und seinen antibakteriellen und entzündungshemmenden Wirkungen. Seine Eigenschaften als Radikalfänger und Antioxidans, als Wirkstoff auf Neurotransmitter im menschlichen Gehirn und gegen Leukämiezellen und Gefäßverdickungen sorgen für den weiteren Aufstieg. Apropos: Finden Sie die Pflanze im Gebirge, heißt es zuallererst: Nicht pflücken! Und dann erst Schauen und Staunen! Und vielleicht noch Fotografieren!

 

 

Fotos: Margit Beneš-Oeller, Anna Leithner, Alexander Haiden, Joachim Brocks

Margit Beneš-Oeller

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