Zeitgerechtes Erscheinen?

Pflanzen blühen und fruchten früher

Ist es Ihnen schon aufgefallen? Osterglocken, Maiglöckchen, Pfingstrosen oder Johannisbeere haben immer früher ihren Auftritt, der aber nicht immer mit ihren Namen übereinstimmt…

Zwei Grad Erderwärmung klingt wenig und ist nur schwer vorstellbar, aber unsere Pflanzen bringen die Misere voll ins Bewusstsein: Mit der Klimakrise werden sich die Verbreitungsgebiete von Arten, die Zusammensetzung von Tier- und Pflanzengesellschaften und die Zusammenhänge in Ökosystemen zunehmend verändern. Hinweise für Arealverschiebungen gibt es bereits. Generell wandern in Mitteleuropa Pflanzenarten nach Nordwesten, kontinentale (Landklima-) Arten zieht es Richtung atlantischem (See-)Klima. Mediterrane Arten kommen dagegen immer weiter nördlich vor. Nach und nach erobern Pflanzen auch neue Höhen. Bei diesen Bewegungen sind kurzlebige Pflanzen generell schneller während sich langlebige Arten mehr Zeit dafür lassen.

Durch den früheren Beginn des Frühlings mit teilweise sehr hohen Temperaturen und die langen milden Herbstzeiten verlängert sich nicht nur die Vegetationsperiode. Blattfärbung und Laubfall setzen später ein, es kommt teilweise zur früheren Blüten- und Fruchtbildung.  Damit verbunden können Nachtfröste für die früher austreibenden Pflanzen aber auch die Gefahr eines Frostschadens bedeuten. Bei Tageslängenblühern spielt die Tageslänge die entscheidende Rolle – dies ist im Klimawandel ein Nachteil. So treiben manche Pflanzen auch bei mehr Wärme nicht wesentlich früher aus, haben aber durch Sommertrockenheit mit der Ausbildung der Früchte Probleme.

Bis sich das Steppenklima in unseren Breiten etablieren wird, ist es für manche Gärtner/-innen noch vorteilhaft, dass die Gartensaison mehr Vegetationstage zeigt, im Frühling zeitiger beginnt und im Herbst länger dauert. Längere Vegetationsperioden und höhere Wärmesummen ermöglichen eine verstärkte Nutzung des Gartens als Außenraum und eine größere Pflanzenvielfalt. Auch essbare Pflanzen wie Artischocke, Kaki oder Seidenbaum zählen zu den Gewinnern.

Wo ein Vorteil, da ein Nachteil:  Das Zusammenspiel im Ökosystem ist zunehmend gestört. Vögel beginnen früher mit dem Brüten, obgleich es für die Aufzucht der Jungvögel benötigte Insekten noch nicht ausreichend gibt. Viele Pflanzen treiben ihre Blüten, wenn es warm wird und eine bestimmte Summe an Durchschnittstemperaturen erreicht wird. Die Blütezeit aufgrund der Temperatur ist ökologisch bedeutend, weil Fehlpaarungen zwischen Pflanzen und ihren Bestäubern zu erwarten sind. So manche Biene schlüpft in Zukunft vielleicht dann, wenn die bevorzugten Pflanzen nicht mehr blühen.

Klimaveränderung bedeutet Stress. Sie reduziert die Vitalität der Pflanzen und lässt durch extreme Sonneneinstrahlung, Wassermangel oder  Starkregenereignisse mit Staunässe Schäden entstehen. Bei geschwächten Pflanzen greifen Krankheiten und Schädlinge leichter an. Pflanzenstärkung wird daher zukünftig eine wesentliche Pflegemaßnahme im Garten sein.

Die Qualität der Böden kann sich durch Verschlämmung, Staunässe, Starkregen, Trockenheit und Erosion verschlechtern. Ein gut belebter Boden dagegen sorgt für die bestmögliche Versorgung der Pflanzen. Verbessert werden die Bodenfunktionen durch eine vorausblickende Pflege mit organischer Düngung, die Förderung von Bodenorganismen durch Mulch und die Anreicherung von Humus.
Die Zeit der Niederschläge verschiebt sich. Starkregenereignisse mit großem Wasserabfluss werden dominieren. Die optimale Wasserversorgung der Pflanzen wird die größte Herausforderung.

Ihren Gartenschätzen kann auch starker Wind schaden. Gehölze, die ihm stets ausgesetzt sind, wachsen schief heran. Zweige und Äste brechen durch Stürme und Böen. Starker Wind trocknet nicht nur die Wäsche sondern auch die Blattoberflächen. Bei hohen Temperaturen und ungenügender Bodenfeuchtigkeit bringt er eine erhöhte Transpiration mit sich, die sowohl Pflanzen wie Boden austrocknet. Bei niedrigen Temperaturen erhöht Wind die Gefahr von Erfrierungen.

Weil Pflanzen im Gegensatz zu uns Menschen ihren Standort nur sehr langsam über die Fortpflanzung mit Ausläufern oder Samen verlassen können, braucht die Natur länger, um sich auf andere Gegebenheiten einzustellen. Ändert sich das Klima langsam, erfolgt auch die natürliche Anpassung an die geänderten Bedingungen langsam und unmerklich. Die gegenwärtige Klimakrise verläuft allerdings deutlich rascher als früher. Somit werden viele feuchte- und kühleliebende Pflanzenarten wie Rittersporn oder Phlox Probleme bekommen. Die Vegetation und mit ihr die Tierwelt werden sich verändern. Gärtnerinnen und Gärtner müssen deshalb schon heute daran denken auf Pflanzen zu setzen, die sich auch für das Klima im Jahr 2050 eignen.

Mehr zu klimafitten Pflanzen finden Sie in meinem Buch Klimaanlage Naturgarten, erschienen im Frühling 2022 bei avBuch.

Fotos: „Natur im Garten“, Beneš-Oeller, Haiden

Margit Beneš-Oeller

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