Rosskastanien
Nicht nur echte Handschmeichler
Die runden Früchte im raschelnden Laub aufzuspüren – das setzt selbst uns Erwachsene in herbstliche Verzückung. Mir drückt meiner Schwiegermutter gerne ein aufgespürtes Exemplar als willkommene Überraschung in die Hand und sind dabei streichelzart. Die runden Früchte mit der glatten Schale eignen sich aber für weitaus mehr als Handschmeichler…
Als Bastelmaterial eignen sich insbesondere die frisch aufgelesenen Gewöhnlichen Rosskastanien (Aesculus hippocastanum). Mit einiger Wucht schlagen die Früchte auf den Boden auf. Solange es nicht um den eigenen Kopf geht, was mir schmerzlich in Erinnerung geblieben ist, ist der Effekt des Aufschlagens durchaus gewünscht – steigert er doch den Radius für neue Keimlinge, möglichst weit weg von der dichten Krone. Diese möchten wir selbst aber für den kühlenden Sommerschatten u.a. im Schanigarten nicht vermissen. Nur allzu oft stechen uns dann auch braune abgestorbene Blattteile ins Auge.
Um den Entwicklungszyklus der dies verursachenden Kastanienminiermotte zu unterbrechen, sollte das Falllaub möglichst rasch aufgesammelt und gehäckselt werden. So können die kleinen Larven nicht im Boden überdauern und im nächsten Frühling wieder den Baum erobern. Selbst auf einer geschlitztblättrigen Sorte (Aesculus hippocastanum `Laciniata´) konnte ich diese Untiere einmal bei ihrem Festessen entdecken.
Nicht so sehr munden ihnen dagegen die Rote Rosskastanie (Aesculus × carnea), deren Früchte an Erdäpfel erinnern. Aber auch sie haben innere Werte und tragen die braunen Früchte, die aus ihrer dicken Schale hervorglänzen.
Hübsch sind insbesondere ihre roten Blüten. 1858 in Frankreich entstanden, ist Aesculus x carnea `Briotii´ auch immer wieder in größeren Gärten zu finden. Die Hybride Aesculus x carnea entstand aus der Gewöhnlichen Rosskastanie (Aesculus hippocastaneum) und der nordamerikanischen Rote Rosskastanie (Aesculus pavia).
Kastanienmännchen mit Hilfe von Zahnstochern zu Tieren oder Atommodellen zusammen zu setzen, kennen Sie wohl auch aus Ihrer Kindheit. Die braunen Gebilde lassen sich aber auch auf mit Farben aufpeppen und kreativ gestalten. Allein mit Hilfe von Deckweiß schauen Ihnen bald schon viele kleine „Monster“ entgegen.
Tic-Tac-Toe oder Drei gewinnt ist ein einfaches Strategiespiel für 2 Spieler*innen. Seine Geschichte lässt sich bis ins 12. Jahrhundert v. Chr. Zurückverfolgen- wohl auch deshalb weil es nicht viel braucht als Geradlinigkeit und zwei unterschiedliche Naturmaterialien. Auch dafür eignen sich Kastanien bestens. Hier sind sie als lustige Igel gestaltet. Wer gewinnt die 3-er Reihe – unser Wappentier oder der/die Spieler*in mit den Zieräpfeln?
Mit Hilfe eines Bohrers können Sie und Ihre lieben Kleinen die Früchte aber auch zu Ketten auffädeln. Zuvor werden sie mit einem Handbohrer durchstochen. Je frischer die Früchte, umso leichter geht das vonstatten.
Zu Herzen geht ein ebensolches aus Kastanien – ganz einfach mit einem Kleiderhaken aus der Putzerei, bei dem ohnehin die Herbstpullover Ausbeulungen bekommen. Der Haken wird mit einem Seitenschneider an den künftigen zwei Enden aufgeschnitten. Dann werden auch hier die Früchte vorgebohrt. Damit die blanken Metallstellen nicht hervorlugen, werden die Kastanien mit Blättern auf Abstand gehalten. In diesem Fall mit Salbei. Es kann aber auch kleinformatiges Laub gesammelt werden, das dieser Funktion bestens gerecht wird.
Nicht zuletzt eignen sich Kastanien als Waschmittel. Dafür werden Kastanien am leichtesten frisch zu Würferl geschnippelt, mit Hammer oder Fleischklopfer zerkleinert oder grob in einer hochwertigen Küchenmaschine - in kleinen Mengen - im Futterhäcksler der Jäger oder hochwertigen Küchenmaschine geschreddert. Unsere Kollegin macht das seit Jahren – ohne Probleme für Wäsche oder Waschmaschine. Getrocknet wird das Granulat in der warmen Herbstsonne, auf der Heizung, dem Kachelofen oder im Rohr mit der Restwärme nach dem Backen. Dann werden sie in einen Feinstrumpf, Socken oder in ein Waschnetz bugsiert und in die Waschtrommel gelegt: 2 Esslöffel genügen für 3 bis 5 Wäschen. Alternativ können Sie die benötigte Menge für den Gebrauch in den nächsten 2 bis 3 Tagen auch über Nacht in halben Liter zunächst lauwarmen Wasser einweichen und die Kastanienreste vor Gebrauch abseihen und danach kompostieren. Weißwäsche waschen Sie ohne Schale, denn das weiße Fruchtfleisch enthält die Saponine, waschaktive Naturtenside, die im Kontakt mit Wasser zu schäumen beginnen. Ein paar Tropfen ätherisches Öl wie z.B. von Zitrone, Lavendel oder ihr sonstiger Lieblingsduft eignet sich für den Frischekick. Kastaniensud sollte, so wie herkömmliches Waschmittel auch, nicht direkt und unaufbereitet im Wasser oder Aquarium landen, um etwa Fische nicht zu gefährden. Natürliche Tenside wie Saponine aus Kastanien sind generell nicht besser oder schlechter abbaubar als synthetische Tenside.
Dass Kastanien also mehr als Bastelmaterial sind, nämlich ein nachwachsender, regionaler Rohstoff, ist ihr eigentlicher Vorteil. In diesem Sinne: Keep on rolling.
Fotos: Beneš-Oeller, Brocks