Rankendes Obst
in Form bringen
Rankendes Obst, das einem direkt in den Mund wächst - eine Vorstellung wie im Schlaraffenland, im Paradies oder im Traum? Auf jeden Fall hat rankendes Obst seit einigen Jahren Hochkonjunktur als dekorative Begrünung, die auch auf engem Raum in die Höhe geleitet und nebenbei reichlich beerntet werden kann.
Ob nun systematisch an Pfählen oder Spalieren, fächerförmig oder formlos an Zäunen oder Pergolen gezogen: durch regelmäßigen Schnitt verhindert man, dass sich weit oben grüne Überdachungen oder ein undurchdringliches Dickicht mit Früchten in unerreichbarer Höhe bilden und greise Stämme und dürres Holz im unteren Bereich.
Fruchttragende rankende Säulen
Man kann Weinreben, Minikiwis oder Brombeeren einfach an einem einzelnen Pfahl erziehen, der den hochstrebenden Ranken Halt gibt.
Die sogenannte Stock- oder Pfahlkultur war bis in die fünfziger Jahre im österreichischen Weinbau sogar üblich. Deshalb präsentiert die Familie Koch vor ihrer Gartenvinothek auf der GARTENTULLN nicht nur das derzeit bei uns gängige System der Lenz-Moser-Hochkultur an einem Drahtrahmen, sondern auch einige Reben in dieser alten Erziehungsform.
Der Rebstock, der verholzte Teil der Pflanze, ist hier nur knapp 20 cm hoch. An ihm werden die Ranken im zeitigen Frühjahr jeweils auf kurze Zapfen mit ein bis zwei Augen zurückgeschnitten. Den Laubarbeiten im Sommer kommt noch mehr Bedeutung zu als bei den heute üblichen höheren Erziehungsformen: die Ranken werden nach der Blüte auf etwa 1 m Länge bzw. 10 Blätter (oder auf Pfahlhöhe) begrenzt und entbehrliche Seitenverzweigungen - auch Geiztriebe genannt - laufend entfernt. Im Spätsommer, wenn die Trauben zu reifen beginnen, wird zusätzlich das Laub rund um die Trauben entfernt. Die Trauben erreicht so mehr Licht und Luft, sie trocknen schneller ab und entwickeln mehr Zucker.
Je bodennäher die Trauben wachsen, desto früher tritt zwar die Reife ein, sie sind aber auch anfälliger für feuchtigkeitsbedingten Pilzbefall… In ariden Gegenden – zum Beispiel auf Lanzarote - können Reben sogar am Boden kriechend kultiviert werden. Sie bilden dort ohnehin kürzere Ranken aus, wurzeln extrem tief und werden oft in Mulden gepflanzt oder durch niedrige Steinmauern vor austrocknenden Winden geschützt. In sehr luftfeuchten küstennahen Gebieten hingegen, beispielsweise im Norden Portugals, wird der Wein auf bis zu 4 m hohen Pergolen kultiviert. Auch im Portugalgarten auf der GARTENTULLN gibt es deshalb hohe Pergolen, die in diesem Fall mit Direktträgern bewachsen sind. Das sind reblausresistente Sorten amerikanischer Rebarten, die nicht veredelt werden brauchen, während europäische Reben ohne amerikanischen Fuß einen Reblausbefall im Wurzelraum nicht überleben würden.
Über Schnitt und Pflege von rankendem Obst gibt es interessante Videos im Internet mit Hintergrundinfos und vielen Tipps, etwa von der Baumschule Schreiber aus Poysdorf im Weinviertel oder von Markus Kobelt, dem Besitzer der Schweizer Obstbaumschule Lubera, zum Beispiel über den Schnitt von Minikiwis am Einzelpfahl. Nach der Pflanzung dürfen diese beim Profi drei bis vier Jahre wachsen, wie es ihnen beliebt. Danach wird alle ein bis zwei Jahre im Februar oder März zunächst das „Dach“ - ein etwaiges überstehendes Gewirr aus Zweigen - einfach radikal von der Spitze weg ca. 50 cm gekappt und entfernt. Dann wird die „Säule“ schlank gemacht, also rundum alles entfernt, das weiter als 40 bis 50 cm vom Pfahl entfernt ist. Zuletzt wird ein Teil des alten Holzes, das bereits Früchte getragen hat, auf der gesamten Höhe der „Säule“ bis auf ein Auge/ Zapfen entfernt. Daraus können wieder junge Triebe nachwachsen, die im nächsten Jahr Früchte tragen. Junge, unverzweigte, relativ lange Triebe, die bereits im zweiten Schritt eingekürzt wurden, werden selbstverständlich stehengelassen.
Wo und wann entstehen die besten Früchte?
Wein und Kiwis fruchten an den heurigen Verzweigungen auf mittelstarken Vorjahrstrieben, die wiederum auf Trieben aus dem Jahr davor stocken. Direkt aus altem Holz wachsende Ruten tragen eher keine Früchte. Deshalb versucht man durch den Rückschnitt auf kurze Zapfen zu erreichen, dass sich weniger, dafür schönere Jungtriebe mit zahlreichen gut versorgten Früchten entwickeln und nach dem Rückschnitt im nächsten Winter wiederum fruchttragende Jungtriebe und so fort… Wenn immer wieder Zapfen auf Zapfen auf Zapfen wachsen, entsteht mit den Jahren ein etwas verwinkeltes Holzstück, das dann irgendwann entfernt wird zugunsten eines vielversprechenden jungen Triebes, der direkt aus dem alten Holz kommt und das Spiel geht von neuem los…
Grundsätzlich schneidet man bei Wein und Kiwis etwas weiter weg von den Augen oder Blattachseln als bei anderen Obstgehölzen und lässt bis zu 1 cm lange Stummel darüber stehen.
Die vielversprechenden langen Triebe im Foto werden im Sommer eingekürzt, damit sich aus den verbleibenden Augen im nächsten Jahr Verzweigungen mit Früchten entwickeln. – Weniger ist mehr.
Brombeeren hingegen treiben lange Ruten aus dem Boden und fruchten ähnlich wie die Sommerhimbeere im Folgejahr an seitlichen Austrieben dieser Ruten. Damit sie nicht zu dicht werden, sollten Seitentriebe im Sommer laufend auf zwei bis drei Blätter bzw. spätestens im Frühjahr auf zwei bis drei Augen eingekürzt werden. Ist eine Rute abgeerntet, wird sie nach dem Laubfall im Spätherbst dicht über dem Boden abgeschnitten und im Frühjahr entfernt.
Spalier - ein Rahmen für die bequeme Ernte
Im Profibereich werden Weinreben, Brombeeren, Minikiwis, aber auch die starkwüchsigen großfrüchtigen Kiwis gerne als Hochkultur-Spaliere an sogenannten Drahtrahmen gezogen. Dafür werden Pfähle oder Steher gut in der Erde verankert und dazwischen auf zwei bis drei Ebenen Drähte gespannt – von etwa 1bis 1,8 m Höhe.
Rankende Brombeersorten wachsen erst nach oben und werden dann an diesen Drähten horizontal zur Seite geführt und befestigt.
Der Weinstock wird bis auf Höhe des untersten Drahtes gezogen und dort ev. noch waagrecht weitergeführt in Form sogenannter Kordons, deren Austriebe im Frühjahr auf kurze Zapfen zurückgeschnitten werden. Oder aber es bildet sich mit der Zeit ein knolliger Kopf, auf dem jeweils ein Zapfen und auf dem Vorjahrszapfen eine kurze Rute mit etwa 10 Augen stehen gelassen werden. Die Rute wird am untersten Draht befestigt. Die aus den Augen sprossenden Ranken können entlang des Rahmens seit- und aufwärts wachsen.
Die Kiwi kann im Spalier ebenfalls zu dieser T-Form erzogen werden. Der Stamm endet auf Höhe des obersten Drahtes und wird auf zwei Seiten weitergezogen. Für eine bequeme Pflückhöhe werden die jungen Triebe von diesem verholzten Grundgerüst aus nach unten geleitet, festgebunden und im Sommer auf etwa 8 Blätter eingekürzt. Auch fruchttragende Triebe werden im Sommer auf etwa 8 Blätter nach der äußersten Frucht eingekürzt und im März auf 2 Knospen nach dem letzten Fruchtansatz zurückgeschnitten. Blätter über den Minikiwis sollten nicht entfernt werden, um die Früchte vor Sonnenbrand zu schützen.
Fächerförmig frei wachsend
An Zäunen und Gerüsten können alle Rankpflanzen relativ formlos fächer- bis etagenförmig gezogen werden. Dabei werden die Triebe nicht durch den Zaun durchgefädelt, sondern nur - wenn nötig - angebunden.
Der Schnitt sorgt für genug Abstand zwischen übereinanderstehenden Trieben, die mindestens 30 cm voneinander entfernt sein sollten.
Beim Wein wird in Summe am meisten weggeschnitten, gefolgt von der Kiwi. Beide entwickeln mit der Zeit ein verholztes Traggerüst mit einem dicken Stamm, das erhalten bleibt. Die jüngsten Triebe werden stark reduziert.
Die Brombeere bildet das Schlusslicht, da bei ihr die Jungruten zur Gänze stehen bleiben und nur bei Überlänge gekappt werden. Ansonsten werden deren Seitentriebe gekürzt und abgetragene Ruten möglichst bodennah entfernt.
Fotos: Leithner