Obstbaumschutz am Winterende
Austriebspritzung oder Abwarten
Auch wenn der Frühling erst am 20. März mit der Tagundnachtgleiche beginnt, so macht sich die Natur doch schon bereit für den Start. Der Saftstrom in den Bäumen hat schon ab der Wintersonnwende mit den länger werdenden Tagen begonnen, allmählich zu steigen. Davor war - nach dem Laubfall - alle Kraft in Wurzeln und Stamm zurückgezogen. Aber jetzt heißt es, bis zum April wieder einen so enormen Druck bis in die Knospen aufzubauen, dass die darin schon längst angelegten Blüten und Blattanlagen austreiben. Und auch die Tierwelt steht in den Startlöchern, sobald es losgeht.
Aber kein Grund zur Besorgnis: im Naturgarten halten Schädling und Nützling einander die Waage…
Die obersten Tugenden einer Naturgärtnerin - Gelassenheit und Geduld - vorausgesetzt, kommen Marienkäfer, Florfliege und die ganze Vogelschar aus der Deckung und räumen auf mit Blattsaugern und Co. Gegen Wühlmäuse können Raubvogel-Greifstangen Wunder wirken. Hoch genug sollten sie sein: auf 4 m Höhe lässt sich gut ausspähen nach den schädlichen Nagern, wenn sie aus ihren Löchern kommen. Naturgartenelemente wie Wildstrauchhecken und Blumenwiesen locken eine Vielfalt an Lebewesen an, Trockensteinmauern, Wilde Ecken und knorrige Bäume werden zu wahren Refugien. Im Naturgarten finden sich daher meist schnell nützliche Helfer, die Schädlinge vertilgen, sobald sie auftreten.
Meine Eltern haben in ihrem Garten am oberösterreichischen Traunsee ihr Leben lang die Natur walten lassen und nie ein Spritzmittel in die Hand genommen, und doch war jedes Jahr gutes Obst in Hülle und Fülle vorhanden. Wer nicht kommerziell abhängig ist von einer überreichen Ernte, der kann getrost auf Pflanzenschutz verzichten – überhaupt wenn die Bäume uns um ein Vielfaches überragen. Sollte aber wider Erwarten in den letzten Jahren kaum eine Frucht befallsfrei gewesen sein und sind die Obstgehölze überschaubar, gibt es schon in wenigen Wochen Abhilfe:
Wenn im vorangegangen Jahr hoher Schädlingsdruck durch Blattläuse, Spinnmilben, Schild- und Wollläuse herrschte, gibt es eine Möglichkeit deren Überwinterungsstadien zu eliminieren, nämlich mit einer Austriebspritzung. Dabei wirken im Handel erhältliche Emulsionen mit dem Wirkstoff Paraffinöl oder dem nachhaltigeren Rapsöl als dünn aufgebrachter Film auf Zweigen und Knospen und ersticken überwinternde Schädlinge, ihre Eier und Larven. Der Zeitpunkt ist ideal, wenn sich die Blätter im sogenannten Mausohrstadium befinden und nur eine winzige grüne Spitze davon hervorlugt - je nach Region im März oder April, wenn die Insekten aus ihrem gut geschützten Winterstadium erwachen. Kurz vor und nach oder beim Schlüpfen sind sie angreifbar. Sind die Blätter aber weiter heraussen, könnte der Ölfilm darauf eine Lupenwirkung entfalten und zu Verbrennungen führen.
Die Zweige müssen so gründlich eingesprüht werden, dass sie tropfnass sind. Nützlinge, die im Baum überwintern wie etwa Raubmilben, nehmen leider ebenfalls Schaden. Marienkäfer und Florfliegen bleiben verschont, weil sie in anderen geschützten Nischen überwintern und erst später ihre Eier in der Baumkrone ablegen, wenn sie bereits Blattläuse als Nahrungsquelle vorfinden. Und auch die Vögel, die schon da sind, lassen sich nicht freiwillig durchnässen.
Ist in einer gut mit Raubmilben besiedelten Obstanlagen eine Austriebspritzung geplant, könnten im Herbst Filzstreifen als Winterversteck angebracht und diese vor der Austriebspritzzung mit den darin befindlichen Raubmilben abgesammelt werden. Die Filzstreifen werden danach wieder dort ausgebracht, wo Spinnmilbenbefall auftreten könnte.
Anders als bei den oben genannten blattsaugenden Schädlingen befinden sich die Puppen der Kirschfruchtfliegen zurzeit noch flach im Boden und schlüpfen erst spät im Mai, wenn die meisten Kirschen von grün auf gelb umfärben. Sie fliegen auf Gelb, um dort ihre Eier abzulegen. Auf klebrigen Gelbtafeln kann man sie dann auffangen – in luftiger Höhe auf der Sonnseite der Kirschbäume.
Besonders frühe oder späte Kirschsorten, deren Früchte zum Zeitpunkt der Eiablage noch grasgrün oder annähernd reif sind, bleiben eher verschont. Durch eine isolierende Mulchschicht wird die Erwärmung des Bodens und somit das Schlüpfen der Fliegen verzögert, ebenso wenn Wiesenflächen unter den Bäumen bis zur Ernte nicht gemäht werden. Lässt man Hühner oder Enten ab März in den Obstgarten, machen sich diese verlässlich darüber her ebenso wie über andere Insektenstadien im Boden wie etwa Sägewespenlarven, oder -puppen.
Wenn der Wurm in Apfel und Zwetschke nicht vom Apfel- oder Pflaumenwickler stammt, dann war es die Sägewespe. Die unreifen Früchte fallen vorzeitig vom Baum und enthalten mit Kot verunreinigte Fraßgänge. Während sich die Wickler nach der Fruchtreife gerne am Baumstamm verpuppen und dort auch überwintern und somit mit einer Austriebspritzung überrumpelt werden können, überdauern die Sägewespen-Larven – ähnlich wie die Kirschfruchtfliegen - im Boden. Sie schlüpfen aber schon vor diesen, etwa im April, um ihre Eier an den Blüten abzulegen. Weiße Leimtafeln während der Blütezeit können helfen, den Befall zu reduzieren. Nach der Flugzeit der Sägewespen, etwa wenn die Blütenblätter abfallen, sollten die Weißtafeln gleich wieder abgehängt werden.
Unter diesem Register kann man alle derzeit in Österreich zugelassenen Mittel für Haus- und Kleingarten ebenso wie für die Profianwendung aufrufen, wenn man beispielsweise den Wirkstoff „Rapsöl“ oder „Paraffinöl“ und das Einsatzgebiet „Obstbau“ eingibt, allerdings nicht nur biologisch verträgliche. Für Deutschland ist dieser Link
Von „Natur im Garten“ ausgezeichnete finden Sie auch ausgezeichnete Gütesiegelprodukte. Aber Achtung: auch wenn diese Mittel biokonform sind, sollte die Schonung und Förderung von nützlichen Gegenspielern im Vordergrund stehen.
Und: Vorbeugen ist bekanntlich besser als Heilen. Diesbezügliche Tipps zum Obstbaumschutz im Winter bleiben natürlich weiterhin aufrecht wie die Entfernung von Fruchtmumien samt Rückschnitt, fallweise Desinfektion des Schnittwerkzeugs, Stammanstrich an jungen Bäumen und natürlich die fachgerechte Pflanzung mit allem was dazu gehört.
Außerdem können wir als Privatgärtnerinnen unsere Ernte ohne weiteres mit der Natur teilen, nachdem sie uns so reich beschenkt.
Fotos: Benes-Oeller, Leithner, Haiden, pixabay