Nur Wetterkapriolen?

Nein, handfester Klimawandel

 

Der April macht was er will? Heuer ist zwar kaum ersichtlich, dass der Klimawandel schon weit fortgeschritten ist, denn für die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik dürfte dieser April zum ersten Mal seit knapp zwei Jahren unter die durchschnittlichen Temperaturen fallen. Am 16. April lagen diese im Mittel um 1,8 °C unter dem Mittel von 1981-2010. Dabei war der 1. April um 6,4 °C wärmer als der Durchschnitt, der 7. April aber um - 8,3°C kühler. Wenn man jedoch die letzten fünf Jahrzehnte vergleicht, wird die Erwärmung deutlich: Für die erste Monatshälfte lag die Periode für 1971-2000 durchschnittlich bei 13,5°C, zwischen 2011 und 2020 betrug die Temperatur satte 16,5°C, letztes Jahr 20°C!

Für die Gärten ist die Kälte fast ein Glücksfall, denn  gerade im Osten Österreichs ist es viel zu trocken. Und da bei kühleren Temperaturen weniger Wasser verdunstet, hat das den Vorteil, dass  sich der Wassermangel noch nicht so unangenehm bemerkbar macht. Aber weil wir Wärme jetzt besonders angenehm empfinden, sieht so manche(r) darin kein Problem sondern freut sich umso mehr, wenn der Frühling so richtig aus den Startlöchern kommt. Wird warmes Wetter im April also als positiv wahrgenommen und kalt und regnerisch im Gegenzug als „schlechtes Wetter“, sollten wir uns mit Blick auf unsere Pflanzen und Gärten von dieser Sichtweise verabschieden. Denn für den Frühling bzw. Frühsommer 2021 liegt die Wahrscheinlichkeit für überdurchschnittliche Temperaturen bei fast 60%. Und ein Sommertag im März oder April  ist auf jeden Fall kein Freuden-Ereignis. Denn eines ist sicher: im Durchschnitt wird es noch viel zu früh warm.

 

 

Gerade im Garten kommen wir der Natur nahe. Etwas „durch die Blume ausdrücken“, „verwurzelt oder entwurzelt“ sein, „die Früchte der Arbeit ernten“, „heranreifen“ oder auch „aus dem Gröbsten herauswachsen“ - das lässt sich hier hautnah erleben... Dass vermeintliche Wetterkapriolen für den menschengemachten Klimawandel auch hier zum Normalfall werden, darüber gibt es keine ernst zu nehmenden Zweifel mehr.  Immerhin wurden die 20 heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen weltweit alle in den letzten 22 Jahren gemessen (World Meteorological Organization). Im 20. und 21. Jahrhundert hat der Mensch große Mengen von Treibhausgasen in die Atmosphäre gebracht und damit die anthropogene globale Erwärmung angekurbelt. Die Konzentrationen der Treibhausgase – Kohlendioxid (CO₂ ), Methan (CH4 ) und Lachgas (N₂O) in der Atmosphäre – sind heute so hoch wie in den letzten 800.000 Jahren nicht. Für Klimaforscher *Innen ist deshalb im Winter mehr „Regen“- und im Sommer vermehrt „Trocken“-Zeiten zu erwarten. Niederschlagsreiche Jahreszeiten werden niederschlagsreicher, niederschlagsarme Jahreszeiten niederschlagsärmer. Dazu kommen mehr  extreme Wetterereignisse wie Starkregen (und Überschwemmungen), hohe Windgeschwindigkeiten (mit kleinräumigen Tornados und Hagel) sowie immer längere Dürreperioden. Unternehmen wir nichts gegen den Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre, werden die Jahresdurchschnittstemperatur um bis 4 bis 5 °C bis zum Jahr 2100 ansteigen und sich auf unsere Gesundheit und die des Planeten auswirken.

 

 

Direkt vor Ihrer Haustür werden wir alle vor neue Herausforderungen gestellt. Ein Temperaturanstieg um 1,5–2,5 °C würde bis zu 30 % der Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedrohen. Die Verbreitungsgebiete von Arten, die Zusammensetzung von Tier- und Pflanzengesellschaften und die Zusammenhänge in Ökosystemen werden sich stark verändern. Arealverschiebungen zeichnen sich in Mitteleuropa bereits ab: Pflanzenarten wandern nach Nordwesten, (kontinentale) Landklima-Arten Richtung (atlantischem) See-Klima. Mediterrane Arten zieht es nach Norden, und Pflanzen erobern generell neue Höhen. Kurzlebige Arten sind dabei schneller unterwegs als langlebige.

 

 

Verlängerte Vegetationsperioden gibt es  durch durchschnittlich frühere Frühlinge sowie längere milde Herbste. Nach Problemen mit Kaltluft-Einbrüchen gab es im Obstbau heuer gleich mehrere  Probleme, denn der Klimawandel lässt die Obstbäume immer früher blühen. Wird es dann doch noch einmal kalt, kann dies mit großen Schäden einhergehen. Und wenn es nicht über circa 12 Grad Erwärmung kommt, während die Bäume blühen, fliegen nur wenige Insekten und die Befruchtung fällt schlechter aus.

Längere Vegetationsperioden und höhere Wärmesummen machen erfreulicherweise aber auch eine verstärkte Nutzung des Gartens als Außenraum und eine größere Pflanzenvielfalt  aus ursprünglich südlicheren Gefilden möglich – auch von essbaren Pflanzen wie Artischocke, Kaki oder Feigen.

 

 

Mit dem Klimawandel verbunden zählt  aber der  Verlust an Artenvielfalt zu den größten Bedrohungen, auch weil er unsere Ernährungssicherheit beeinträchtigt. Das Zusammenspiel im Ökosystem ist zunehmend gestört. Vögel beginnen früher zu brüten, obwohl Insekten fehlen. Viele Pflanzen treiben ihre Blüten nach dem Erreichen einer bestimmten Summe an Durchschnittstemperaturen. Blütezeit und  Bestäuber können sich dabei verpassen, denn manche Wildbiene schlüpft in Zukunft vielleicht zu spät. Klimawandel bedeutet also nicht nur für uns Stress, er reduziert die Vitalität der Pflanzen. Extreme Sonneneinstrahlung, Wassermangel oder Staunässe durch Starkregen können Schäden hervorrufen, Krankheiten und Schädlinge leichter angreifen. Pflanzenstärkung und ein gut belebter Boden angesichts Verschlämmung, Staunässe, Starkregen, Trockenheit und Erosion werden für die bestmögliche Pflanzenversorgung umso wichtiger. Eine voraus­schauende Pflege mit organischer Düngung, die Förderung von Bodenorganismen durch Mulch und die Anreicherung von Humus und eine  optimale Wasserversorgung der möglichst standortgerechten Bepflanzung  stehen im Fokus.

 

 

Beständigkeit und Veränderung – diese beiden Eigenschaften sind eng mit der Natur verbunden. Verschiebt sich die Zeit der Niederschläge, dominieren Starkregenereignisse mit großem Wasserabfluss und auch starker Wind kann unseren Gartenschätzen schaden. Hohe Temperaturen und ungenügende Bodenfeuchtigkeit lassen Pflanzen und Böden austrocknen. Bei niedrigen Temperaturen erhöht Wind die Gefahr von Erfrierungen.  Ändert sich das Klima langsam, erfolgen diese Anpassung unmerklich. Heute verläuft der Klimawandel allerdings deutlich rascher. Weil Pflanzen im Gegensatz zu uns Menschen ihren Standort nur sehr langsam über die Fortpflanzung mit Ausläufern oder Samen verlassen, brauchen sie länger, um sich darauf einzustellen. Viele feuchte- und Kühle liebende Pflanzenarten wie Rittersporn oder Phlox werden deshalb Probleme bekommen. Fauna und Flora werden sich ändern.

 

 

Gärtner*Innen  sollten schon heute daran denken, Pflanzen zu setzen, die sich auch für 2050 eignen. Denn wo Pflanzen Sauerstoff produzieren, die Luft reinigen, wo sie als Wasserspeicher und gleichzeitig als biologische Klimaanlage dienen, wo ihr grünes Laub ausgleichend und beruhigend wirkt, herrscht eine hohe Lebensqualität. Gärten und Grünräume sind ein grüner Schatz.

Das Beobachten und Reagieren auf Boden, Wasser, Wind und Licht gehört seit jeher zum Gärtnern. Im Experimentierfeld Garten nehmen wir wahr, spüren, denken nach und entwickeln. Die Klimakrise macht es notwendig, Neues vor Ort zu probieren und bislang unerforschte Wege zu gehen.  Wir wissen längst, was zu tun wäre: ein Mehr an umweltfreundlichem Handeln und an Grün. Auch mit Ihrem Naturgarten nehmen Sie Einfluss auf die Gestaltung unserer Umgebung. Wir alle können mit und in unseren Grünoasen einen wichtigen Beitrag zur Klimaanpassung leisten und so unsere Lebensqualität steigern. All die Möglichkeiten, die wir im Garten haben, schenken uns Freude, Überraschungen und Kraft. Bleiben wir also experimentierfreudig!

 

 

 

Fotos: Benes-Oeller, Brocks

Margit Beneš-Oeller

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