Mit den Schneeglöckchen angarteln
Nutzgarten - regional, ökologisch, phänologisch…
Biologisch, saisonal und regional - Genüsse aus dem eigenen Garten oder Balkon liegen auch mit Hinblick auf die Klimakrise voll im Trend. Und wer die Zeichen der Zeit richtig liest, darf auf größeren Erfolg dabei hoffen.
Weil die Vegetationsperiode sich in den letzten Jahren spürbar verlängert hat, birgt der Klimawandel wenigstens im Gemüsegarten so manchen Vorteil. Nach den letzten Spätfrösten freuen sich Andenbeeren/ Physalis, Ingwer, Kiwano, Portulak oder Wassermelonen über wärmere Zeiten. Bei einer Vorkultur ohne Kunststoff eignen sich Aussaattöpfe aus vollständig abbaubarer Pflanzen- oder Papierfaser bzw. Jute als Kunststoffersatz. Alternativ sind auch selbstgemachte Töpfchen aus den Innenteilen von Klopapierrollen oder Zeitungspapier bestens dafür geeignet.
Aber auch andere Gemüse lassen sich innerhalb der Vegetationsperiode früher und auch länger ernten. Dabei müssen Sie aber ein paar Dinge beachten: Früh ansäen und den winterfeuchten Boden nutzen, ist heute die Maxime im Gemüsegarten. Trotzdem kommt manch junges Gemüse heute oft kaum ohne Bewässerung aus. Frühgemüse wie Erbse, Frühkarotten, Spargel oder Puffbohne hingegen brauchen noch vor Mai und Juni das meiste Wasser. Bei ihrem frühen Anbau weichen Sie sommerlichen Trockenperioden aus.
Der Ernte wärmeliebender Gemüse steht auch später nichts entgegen: Früh ausgesäte Sommerkulturen insbesondere mit Pfahlwurzeln können sich selbst lange mit Wasser versorgen: Artischocke, Bohne, Karotte, Knollensellerie, Kohlgemüse (außer Kohlrabi), Mangold, Melanzani/Aubergine, Pastinake, Wurzelpetersilie, Porree, Rettich, Rote Rübe, Schwarzwurzel oder Speiserübe zählen dazu. Vermeiden Sie dagegen im Hochsommer flachwurzelndes Gemüse - besser sind robuste und widerstandsfähige Gemüsesorten.
Obwohl sie der Tierwelt weder Nektar noch Pollen zu bieten hat, ist die Forsythienblüte wohl der bekannteste Zeitgeber im Garten für den Erstfrühling - um etwa Rosen zu schneiden und Karotten und Kopfsalate auszusäen.
Zu früh oder zu spät dran?
Bei einigen bisher erprobten Gemüsearten macht der Anbau zwar nicht unbedingt mehr Schwierigkeiten, nur braucht es für sie umgemodelte Anbauzeiträume.
Flachwurzler wie Kopfsalat bilden heute im Hochsommer oft keine Köpfe mehr aus, sie schießen ins „Kraut“. Trockenperioden und unregelmäßige Wassergaben führen zu pelzigen Radieschen und aufgeplatzten Karotten bzw. Kohlrabi. Auch Spinat wird besser zeitiger im Frühling oder später im Herbst angebaut. Bohnen brauchen mit ca. 25 l Wasser/Woche/m² mehr Wasser, als Sie vielleicht glauben. Auch hier reichen bei frühem Anbau meist die Niederschläge aus, während die spätere Wärme viel mehr an Wasser erfordert. Busch- und Feuerbohnen keimen übrigens früher als Stangenbohnen. Mit Abdeckungen aus dünnen Stoffen oder vergilbten Gardinen verkürzen Sie die Kulturdauer für Frühsorten und umgehen damit den heißen Sommer.
Manche Gemüse benötigen eine bestimmte Kältesumme, um auszutreiben und zu blühen. So benötigt Karfiol, um nach den Blättern auch „Blumen“ auszubilden, eine kühle Periode. Frühsorten schaffen das meist noch. Beim Rhabarberanbau in warmen Regionen empfehlen sich heute nur (sehr) frühe Sorten.
Ganz nach Saison
Nicht immer ist klar, was zu welcher Zeit erntereif ist: Denn nicht nur Aussaat und Ernte, Austrieb und Blühbeginn einzelner Pflanzen variieren von Jahr zu Jahr, sondern auch von Region zu Region. Steigen die Temperaturen, „explodiert“ die Natur förmlich, während lange Kälte die Entwicklung verzögert. Um sich auch bei den saisonal bedingten Gartenarbeiten darauf einzustellen, hilft der phänologische Kalender. Phäno kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet auf Deutsch „Ich erscheine.“ In diesem Sinn erscheinen typische „Zeigerpflanzen“ und dienen so als biologische Messinstrumente für Witterung und Klima - und als Gradmesser für anstehende Gartenmaßnahmen:
Der Gemüsegarten im Jahreslauf
(mit ungefähren Zeitangaben)
Der Vorfrühling startet mit der Blüte von Haselnuss, Schneeglöckchen, Schwarzerle, Salweide und Winterjasmin. Ackerbohne, Erbse, Mairübe, Radieschen, Spinat und Schwarzwurzel können in einer milden Woche schon ausgesät werden.
In den Erstfrühling fällt die Blüte von Forsythie, Stachel-/ Johannisbeere, später Kirsche, Pflaume, Birne, Schlehdorn und Ahorn; Rosskastanie, Birke treiben aus und ca. eine Woche später Ahorn, Linde und Rotbuche. Im Gemüsegarten werden Kopfsalat, Kohlrabi, Kartoffel, Steckzwiebel gepflanzt und Karotte, Pastinake und Rote Rübe ausgesät.
Vollfrühling ist bei uns etwa im Mai mit der Blüte von Apfel, Flieder, später Himbeere. Stiel-Eiche treibt aus. Nach den Eisheiligen kommen frostempfindliche Melanzani, Paprika und Paradeiser ins Freiland. Bohne, Brokkoli, Karfiol/Blumenkohl und Salat werden angesät.
Im Frühsommer (etwa Juni) blühen Gräser, Winterroggen, Türkenmohn, Schwarzer Holunder, Weißdorn und Wald-Geißbart. Im Nutzgarten freuen wir uns über erste Ernten (Erdbeere, Salat, Spargel) und pflanzen Kohlgewächse (Grünkohl, Grün- und Rotkraut). fortlaufend können auch Bohne, Brokkoli, Sommersalate und Winterkarotte gesät werden.
Der Hochsommer wird geprägt von der Blüte von Sommerlinde, Wegwarte, Kartoffel und der Reife von Johannisbeeren. Die Kräuterernte ist angesagt. Chinakohl, Endivie, Knollenfenchel und Zuckerhut werden ausgepflanzt.
Im Spätsommer reifen Frühapfel/-zwetschke, Felsenbirne, Eberesche. Heidekraut und Herbstanemone beginnen zu blühen. Herbst- und Wintersalate, Endivie und Radicchio können weiterhin ausgepflanzt und Frühlingszwiebel, Radieschen, Spinat, Vogerl-/Feldsalat angesät werden.
Den Frühherbst läutet die Blüte der Herbstzeitlose ein. Holunder und Haselnuss werden reif. Es ist Zeit, Knoblauch zu stecken, Spätsorten von Endivie/Zuckerhut auszupflanzen und noch eine letzte Aussaat von Radieschen, Spinat, Vogerlsalat vorzunehmen.
Im Vollherbst (etwa Oktober) reifen Quitte, Rosskastanie, Stiel-Eiche, Walnuss. Eiche, Esche, Rosskastanie, Rotbuche und Wilder Wein schmücken sich mit buntem Laub. Eine Folgesaat von Spinat und Vogerlsalat ist möglich, sobald anderes Gemüse abgeerntet ist.
Im Spätherbst (etwa Ende Oktober, Mitte/Ende November) fällt das Laub etwa von Rosskastanie und Stiel-Eiche. Es ist Zeit, Kaltkeimer auszusäen wie Guter Heinrich und Kerbelrübe.
Der Winter beginnt bei uns etwa Anfang Dezember. Die Vegetation ruht. Kaltkeimer können immer noch angesät werden. Das Wintergemüse erhält eine schützende Abdeckung und wird bei Bedarf vorsichtig geerntet. Wer möchte, kann Chicorée im Keller treiben. Der bleiche Antrieb schmeckt umso milder.
Unter Schutz kann man um einige Wochen früher starten: Glas und andere Transparenz hält das Frühgemüse bzw. die Ansaat auch bei Frösten warm. Und damit freuen wir uns auf eine zeitige, reiche Ernte und vollen Genuss übers Jahr.
Fotos: „Natur im Garten“, Leithner, Pixabay