Meine 7 Zwetschken

Habe ich sie alle beisammen?

 

„Seine sieben Zwetschken beisammen haben“ heißt im österreichischen Sprachgebrauch so viel wie: „Bereit sein zum Aufbruch - mit dem wenigen wichtigen, das man hat, und einem Minimum an Selbstorganisation“, zum Beispiel könnten es Eltern oder Lehrer zu leicht chaotischen Kindern sagen, wenn alle bereit sind für den Aufbruch und die Kleinen noch herumwursteln und beschäftigt sind, ihre paar Habseligkeiten zu suchen und einzupacken, Schuhe zu binden und sonstiges: „Hast Du auch schon Deine sieben Zwetschken beisammen?“ Tatsächlich sind Zwetschken einfache Früchte ohne große Allüren und doch ungeheuer kompliziert. Das beginnt bereits bei der Definition, was überhaupt eine Zwetschke oder Zwetschge, Zwetsche oder Quetsche ist: Ist es nur das österreichische Synonym für den Begriff Pflaume? Oder handelt es sich dabei um alle Pflaumen, die leicht vom Stein lösen? Oder aber sind es kernechte Langpflaumen, die keinen Befruchtungspartner brauchen, weil sie sich selbst befruchten können und deshalb auch unveredelt – aus dem Kern gezogen – wieder einen Baum mit brauchbarem Obst hervorbringen? Dem gegenüber würden dann die selbstunfruchtbaren Rundpflaumen stehen.

 

Was ist nun Zwetschke und was Pflaume und was gibt es noch?

 

Ob nun Edelpflaumen oder Primitivzwetschken - sie alle kreuzen sich leidenschaftlich gern. Das fällt beim Erwerb eines veredelten Sortenbäumchens nicht weiter auf, macht aber die Bestimmung verwilderter Zwetschkenbäume umso schwieriger...

In einer illustrierten Flora von Mitteleuropa aus dem Jahr 1995 werden mit Echter Zwetschke, Halbzwetschke, Edel-Pflaume, Mirabelle, Kriecherl, Spilling und Zibarte sieben Unterarten der Pflaume unterschieden. In einer Exkursionsflora von Österreich werden noch weitere Unterarten angegeben, wobei die Form des Kernes für die Zuordnung bedeutsamer ist als die Farbe der Fruchthaut. Hier eine Auswahl:

 

Echte Zwetschke (Prunus domestica subsp. domestica) – die beste für den Datschi

 

Sie hat längliche, außen dunkelblaue, weiß bereifte Früchte mit länglichen Kernen darin und blüht und reift als Frucht eher spät. Das wichtigste für mich: ihr gelbes Fruchtfleisch löst sich gut vom Kern. Eine sehr bekannte Sorte ist Čačaks Beste. - In den 1960er Jahren im damaligen Jugoslawien gezüchtet, hat sie als scharkatolerante Sorte weite Verbreitung gefunden, leider aber aufgrund ihres wenig ausgeprägten Aromas eher zu einer Pflaumenernüchterung Ende des 20. Jahrhunderts beigetragen. Mittlerweile sind guter Geschmack und Aroma wieder wichtigere Züchtungsziele. Čačaks Fruchtbare konnte mich bei einer Verkostung der Obstbaumschule Schreiber in Poysdorf Ende August 2018 vom Geschmack her überzeugen, sollte aber laut Baumschule aufgrund ihrer Überfülle an Früchten ausgedünnt werden, da diese sonst kleiner und weniger „gschmackig“ ausfallen könnten. Besonders begeistert war ich von der Sorte Topfive, die mich an die Hauszwetschke erinnerte.

 

 

Die Hauszwetschke ist eine weitverbreitete ertragreiche alte Sorte mit eher kleinen Früchten, die auch in Höhenlagen noch gut gedeiht, durch ihr hervorragendes Aroma besticht und in der Regel erst spät reift. - Für einen Zwetschkenkuchen vom Blech mein absoluter Favorit.

Meine Mutter ist eine Meisterin dieser klassischen Süßspeise, in Bayern „Zwetschgendatschi“ genannt. Und die Zeit rund um den Schulbeginn ist für mich stark geprägt von solch duftendem, dampfendem Zwetschken-Blechkuchen. Aus Germteig muss er sein und über und über mit Zwetschgen belegt in dichten Reihen, die sich dachziegelartig überlappen. Halbe Früchte kommen nicht in Frage, nur in den Vierteln liegt die Wahrheit! Sobald er aus dem Ofen kam, wurde er großzügig mit Zimt bestäubt. Und dann gab es kein Halten mehr. Ich habe mir das Rezept schon in jungen Jahren abgeschrieben: 400 g Mehl (Weizen oder Dinkel), 50 g Zucker, ¼ TL Salz, ¼ l Milch, 100 g zerlassene Butter und natürlich Germ (Hefe) in der passenden Menge werden zu einem glatten Teig geschlagen.

Nach dem Zubereiten und Aufgehen mit ca. 2 kg entkernten und geviertelten Zwetschken belegt, bäckt man den Kuchen bei 220°C je nach Backofen 30 bis 40 Minuten und bestreut ihn noch heiß mit Zimt.

 

 

Auch für Zwetschkenknödel ist die Hauszwetschke ein Hit. Wenn es etwas größere Knödel sein sollen, könnte man `Bosnische Zwetschken´ verwenden.

 

Halbzwetschke (Prunus domestica subsp. intermedia)

 

Die Halbzwetschke steht der echten Zwetschke sehr nahe und weist längliche bzw. ei- oder birnenförmige aromatische Früchte in vier Untergruppen auf:

  • Kuchelzwetsche mit sehr süßem Fruchtfleisch – z.B. 'Wangenheims Frühzwetsche' (anspruchslos, auch für Höhenlagen)
  • Dattel- oder Rot- Zwetsche
  • Eier-Zwetsche
  • Oval- oder Spitz-Zwetsche, auch: Echte Damascene – z.B. 'Czar' ('Zarpflaume')

Wangenheims Frühzwetschke dient auch als Unterlage für schwachwüchsige Marillen- und Zwetschkenbäume (Zwetschkenspindeln) auf nicht zu trockenen, guten Zwetschkenböden und hat dabei neben sehr guter Fruchtqualität und frühem Ertragsbeginn den Vorteil, dass sie keine Wurzelausläufer macht und sehr frostfest ist. Aus ihr entwickelte Unterlagen sind etwa WaxWa und WaVit.

 

Edel-Pflaume (Prunus domestica subsp. italica) oder Kultur-Rundpflaume

 

Mit kugeligen Früchten und beinahe kugeligem Kern, der meist am Fruchtfleisch haftet, beinhaltet diese Gruppe neben der echten Edel-Pflaume auch noch die Ringlotte oder Reneklode, benannt zu Ehren der 1524 jung verstorbenen französischen Königin Claudia (Reine Claude). Die Früchte der echten Edel-Pflaumen sind rot bis blauschwarz gefärbt, die der Ringlotten (Prunus domestica var. Claudiana) gelbgrün. Ein Beispiel wäre die 'Große Grüne Reneklode', eine alte und beliebte Einmachsorte oder die köstlich süße 'Quillins Reneklode'.

 

Auf dem Verkostungsrad von links nach rechts: Quillins Reneklode, blaues Kriecherl, Mirabelle von Nancy und Bellamira - süße Pflaumen für den Rohgenuss.

Mirabelle (Prunus domestica subsp. syriaca) – rund, aber gut steinlösend

 

Die Mirabelle ist in Kleinasien und Nordpersien beheimatet, wird auch als Gelbe Zwetschke bezeichnet und oft mit der ebenfalls kleinen und kugeligen Kirschpflaume (Prunus cerasifera) verwechselt. Die Mirabelle hat aber eine süßere, mattere Haut als die Kirschpflaume, löst gut vom Stein und blüht außerdem wesentlich später. Sie wird in Mittel- und Südeuropa sowie Nordafrika angebaut. Dass sie so süß ist (auch die Schale) und gut vom Kern löst, prädestiniert sie als Tafelobst für den Rohgenuss. Ein reich tragender Mirabellenbaum mit den eher kleinen „Mirabellen von Nancy“ an der Großen Tulln lud mich von August bis Mitte September dazu ein.

 

Blick in den Mirabellenbaum mit den letzten vollreifen Früchten.

Kriecherl oder Hafer-Pflaume (Prunus domestica subsp. insititia)

 

Der Kriecherlbaum oder –strauch hat einen straff aufrechten Wuchs und neigt zur Wurzelbrut. Es gibt die Kriecherl mit ihren rundlichen, kleinen Früchten in den verschiedensten Farben. Die roten reifen als erste - bereits mit den Kirschen ab Juli. Darauf folgen die gelben. Weil die grünen Kriecherln nach und nach reif werden und dadurch nie genug auf einmal reif ist zum Einkochen, werden sie besser direkt roh verspeist. Die blauen sind als letzte dran – bis in den September – und besonders süß. Ansonsten sind die Kriechen-Pflaumen eher von Säure geprägt, besonders die Schale ist sauer und relativ fest, und das Fruchtfleisch löst sich nicht vom Kern. Für das Einkochen zu Marmelade können die Früchte mit einem Kirschenentkerner vorbearbeitet werden. Sollten sich ein paar Kerne in den Topf schummeln, kann man das ganze am Schluss auch noch durch eine flotte Lotte drehen. Allerdings ist die Konsistenz der Marmelade am besten, wenn die entkernten Kriecherl beim Kochen nur mit einem Stabmixer bearbeitet werden. Die Marmelade erinnert an Marillenmarmelade, hat aber mehr Säure und eine hellgelbe, rötliche oder an Zwetschkenmarmelade erinnernde Farbe.

Wer sich in die weitere Vielfalt der Primitivzwetschken vertiefen möchte, kann unter https://www.zwetschkenreich.at/pdf/Fibel_29082017.pdf nachlesen über Hauszwetschke, Kriecherl und weitere Vertreter dieser Gruppe wie:

  • Rotzwetschke (Prunus oxycarpa) – grellrote Zwetschke, Fruchtfleisch lachs-orange
  • Spilling oder Spenling (Prunus domestica subsp. pomariorum) – spindelförmig, gelb, rot oder blau, süß und steinlösend
  • Punze (Prunus rotunda), blau und kugelig, kleiner als die Ringlotte
  • Ziparte (Prunus domestica subsp. prisca) – blau, kugelrund und klein
  • Zwispitz (Prunus bisacuminata) – schmale, doppelt zugespitzte blaue Frucht
  • Pemse (Prunus versicolor) – gelb-bräunlich mit roten Tupfen, rundlich, duftend
  • Bidling (Prunus domestica subsp. Praecox), Marillenartige Zwetschke

Nicht zuletzt gibt es auch noch die Schlehe (bzw. den Schlehdorn - Prunus spinosa), die gemeinsam mit der Kirschpflaume (Prunus cerasifera) als Urahne der Pflaume angesehen wird. Die gesamte Pflaumen-Verwandtschaft stellt durch ihre teils frühe Blüte und die Beliebtheit ihres Laubes bei vielen Schmetterlingsraupen wertvolle Gehölze für den Naturgarten. Schlehe, Kriecherl und Kirschpflaume blühen besonders früh. Abgesehen von der Mirabelle, Edel-Pflaume und Ringlotte haben sie oft dornige Zweige und sind somit auch für größere Vogelschutzhecken geeignet. Es lohnt sich auf jeden Fall, Pflaumen in den Garten zu holen. Es müssen ja nicht gleich sieben Zwetschken sein.

 

 

Fotos: Anna Leithner

Anna Leithner

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