Manderl und Weiberl
bei Pflanzen
Am 8. März begehen wir den internationalen Frauentag. Begründet von Clara Zetkin als linksfeministischer Gegenentwurf zum bürgerlich-feministischen Muttertag ist er im ehemaligen Ostblock genauso verkitscht wie der Muttertag bei uns. Aber für uns hier Anlass, uns Gedanken über die Geschlechter der Pflanzen zu machen. Pflanzen sind eigentlich zwittrig. Funktionell männliche (Staubblätter) und weibliche (Fruchtblätter) Teile sitzen in derselben Blüte. Aber nicht immer. Manchmal gibt es männliche und weibliche Blüten. Diese müssen aber nicht auf verschiedenen Pflanzen sitzen. Bei der Hasel etwa sind beide am selben Strauch, wohnen also im gleichen Haus. Man nennt solche Pflanzen einhäusig. Im Gegensatz dazu gilt etwa die Kiwi als zweihäusig, Weiden sind es wirklich. Bei ihnen sind männliche und weibliche Blüten an unterschiedlichen Pflanzen. Nun ist aber die Natur bei der Einteilung von Geschlechtern nicht so streng. Auch dort, wo die Natur zur strikten Geschlechtertrennung tendiert, etwa bei uns, sind nicht 100 % der Population eindeutig zuzuordnen. Das System ist durchlässig – ein schöner Beweis für Evolution. Bei den Pflanzen, die keine Geschlechtschromosomen haben, gilt das umso mehr. Außerdem müssen die Pflanzen ja irgendwie ihre Bestäubung sicherstellen. Bei den Weiden kein Problem. Sie produzieren Nektar. Wieso aber besuchen Bienen auch weibliche Blüten, wo sie doch auch Pollen sammeln? Nun, die männlichen Pflanzen sind äußerst geizig mit dem Nektar. Die Kiwipflanze aber hat Pollenblumen. Pollen ist männlich. Damit die weiblichen Pflanzen bestäubt werden, müssen sie sich etwas anderes einfallen lassen. Sie tun so, als hätten sie Pollen. Sie produzieren Staubblätter, also männliche Geschlechtsorgane, die aber taub, also steril sind. Als Täuschblumen werden sie nur besucht, wenn sie gegenüber ihren Vorbildern, also männlichen Blüten, in der Minderzahl sind. Daher wachsen aus Samen immer viel mehr männliche als weibliche Pflanzen. Was der evolutionäre Vorteil der Zweihäusigkeit insektenblütiger Pflanzen ist, ist mir nicht bekannt. Es muss aber einen geben, sonst hätten sich zwittrige Blüten durchgesetzt. Es gibt sie ja auch bei Kiwis. Eigentlich sind die meisten weiblichen Kiwiblüten in gewissem Ausmaß zwittrig, das heißt, sie produzieren auch geringe Mengen fruchtbaren Pollens. Nur sind Kiwis nicht selbstfruchtbar. Einige weibliche Sorten sind aber auch durchaus gute Pollenspender. Wer mehr als drei unterschiedliche „weibliche“ Sorten pflanzt, kommt in der Regel ohne männliche aus. Übrigens gibt es auch Pflanzenarten wie unsere Esche, die immer getrennte männliche und weibliche Blüten haben, diese können aber sowohl am selben Individuum oder an unterschiedlichen Pflanzen gebildet werden. Dreihäusig nennt man das. Und dann gibt es noch jede andere Form von beide Blütentypen an einer Pflanze plus nur ein Geschlecht auch auf eigenen Pflanzen oder Zwitterblüten und an getrennten oder an derselben Pflanze noch ein Geschlecht allein.
Bei uns sind genetisches und funktionelles Geschlecht ja weitgehend gekoppelt. Zur Fortpflanzung bedarf es lediglich männlicher und weiblicher Organismen. Nicht so bei Pflanzen. Beim Apfel etwa gibt es nur Zwitterblüten. Dennoch ist eine Befruchtung durch eigenen Pollen weitgehend ausgeschlossen. Es bedarf einer anderen Pflanze zur Bestäubung, damit es zur Befruchtung kommt. Die Selbstunfruchtbarkeit ist durch das genetische Geschlecht geregelt. Pflanzen mit demselben genetischen Geschlecht können einander nicht befruchten. Dieses ist an 23 Genorten geregelt. Je mehr dieser Genorte unterschiedlich ausgeprägt sind (unterschiedliche Allele tragen), desto besser ist die Befruchtung möglich. Jede Kombination unterschiedlicher Ausprägungen der 23 Genloci ist ein eigenes genetisches Geschlecht. Es gibt also weit mehr als nur zwei Geschlechter.
Kommen wir mal weg von den unterschiedlichen biologischen Geschlechtern hin zu den sprachlichen. Da haben wir eine Reihe Wissenschaftlicher Namen, die so gar nicht zu den deutschen passen. Es heißt etwa die Schneeerose, aber der Helleborus. Weil man aber gewohnt ist, dass Schneerosen weiblich sind, schreiben viele fälschlich die Helleborus. Prinzipiell ist bei wissenschaftlichen Namen das Geschlecht wichtig, und wenn sich eine Gattungszugehörigkeit ändert, ändert mitunter auch der Artbeiname das Geschlecht. So wird Gomphocarpus virgatus zu Buddleja virgata. Aber nicht immer ist die Endung -us männlich! Bäume etwa waren bei den Römern immer weiblich. Mit Ausnahme des Ahorns. Deswegen sind auch alle aus dem klassischen Latein übernommenen Baumnamen weiblich und die amerikanische Rot-Eiche heißt Quercus rubra, nicht rubrus.
Fotos: Dietrich