Komplizierte Orchideenblüten
Ausgeklügelte Bestäubung
Orchideen sind als Schnittblumen wie als Topfpflanzen gleichermaßen beliebt. Von der Ferne betrachtet sind ihre Blüten schon durch verschiedengestaltige Perigonblätter auffällig. Doch kompliziert wird es erst, wenn wir uns die Geschlechtsteile ansehen. Wo ist der Pollen, wo die Narbe?
Deutlich sieht man an der Säule der Blüte einer Nachtfalterorchidee oder Malaienblume (Phalaenopsis) den spitzen, nach unten gerichteten Säulenlappen.
Die Klebscheibe klebt an der Bleistiftspitze. Noch hängt der Säulenlappen über dem Pollinium.
So klebt das Pollinium auch am Insekt. Der gebogene Stiel richtet sich nach einiger Zeit auf. Das dauert gerade so lange, dass der Bestäuber nicht mehr Blüten der gleichen Pflanze besucht.
Zwei umgewandelte Staubblätter bilden eine Reuse, die das Pollinium abfängt.
Geschafft! Der Pollen ist dort, wo er hingehört.
Experiment
Man nehme eine unbeschädigte Orchideenblüte und einen gespitzten Bleistift. Mit dem Bleistift fährt man vorsichtig in die Blüte. Dort streift man mit dem Stift von unten an den verfügbaren Oberflächen. Sobald man mit dem Stift von innen nach außen über das säulenförmige Gebilde in der Blütenmitte streicht, bricht dessen vorderster Teil ab und ein keulenartig verdicktes Teil klebt an der Spitze des Stiftes. Stäubender Pollen ist daran nicht erkennbar. Fährt man erneut in die Blüte, so bleibt dieses Pollenpaket beim Herausziehen des Stiftes etwas innerhalb der Stelle, der das Pollenpaket entstammt, hängen.
Erklärung
Staubblätter und Griffel sind zu einem säulchenartigen Komplex verwachsen (botanisch: Gynostemium). Auch die Pollenkörner sind nicht frei, sondern zu einem so genannten Pollinium vereinigt. Die Staubbeutel (Theken) eines Staubblattes bilden jeweils ein Pollinium mit Stiel und Klebkörper, der am Stift bzw. Bestäuber kleben bleibt.
Der abbrechende Teil der Blüte hat ein hervorstehendes Häkchen oder Stiftchen, an dem die Insekten hängen bleiben. Dieses heißt Rostellum und ist ein nicht empfängnisfähiger Teil der Narbe. Den genauen komplizierten Bau des Gynostemiums möchte ich hier nicht erklären. Wer sich dafür interessiert, dem sei ein Fachbuch empfohlen.
Bedeutung
Orchideen haben hoch spezialisierte Bestäubungseinrichtungen. Oft kann eine Orchideenart nur von einer bestimmten Tierart bestäubt werden. Meist bestäubt aber eine Tierart mehrere Pflanzenarten. Orchideen können ihre Pollenpakete so exakt auf dem Tier positionieren, dass sie meist nur bei der richtigen Blüte wieder hängen bleiben.
Durch das Verkleben des Pollens ist auch gewährleistet, dass Pollen in genügender Menge auf die Narbe gelangen, um die Tausenden von Samenanlagen zu befruchten.
Achtung
Viele Orchideenblüten halten sehr lange – meist deshalb, weil ihre Bestäuber selten sind. Sobald jedoch das Rostellum betätigt wird und der vordere Teil des Gynostemiums abbricht, beginnt die Blüte zu welken.
Fotos: Gregor Dietrich