Bokashi & Fermentieren
Sauerkrautsaft als Biodünger
In den letzten Jahren hat sich der Glaube „Effektive Mikroorganismen“, kurz EM, wie eine Sekte verbreitet. Was die kleinen Wunderwuzzis alles können sollen, grenzt manchmal an Wunder. Und so ist es kein Wunder, dass viele Menschen ihnen skeptisch gegenüberstehen. Um es gleich vorwegzunehmen: Mikroorganismen können tatsächlich viel von dem, was den EM zugeschrieben wird. Also verlassen wir die Welt der Wunder und wundern uns nur über die Vermarktung vieler Hersteller: EM als Gemisch all dieser Mikroorganismen kann man aus Reinkulturen zusammensetzen. Weiterkultivieren lässt sich ein Gemisch von Arten mit unterschiedlichen Ansprüchen nicht.
Bei der üblichen Kultur in Melassemedien setzen sich im Normalfall Milchsäurebakterien durch. Und die sind vielseitig nutzbar. Eine der Nutzungsmöglichkeiten ist die Herstellung von Bokashi. Hinter dem japanischen Wort, das auch deutschsprachige Leute verwenden, die keine wissenschaftlichen Pflanzennamen kennen, weil sie nicht Latein können, versteckt sich eine durchaus auch bei uns lange Tradition des Fermentierens. Leider ist diese Kunst bei uns in Vergessenheit geraten. Konservierungsmittel, Tiefkühlgeräte & Co. Haben das milchsaure Einlegen verdrängt. Lediglich Sauerkraut kennt man bei uns noch. Durchgegoren – nicht so variantenreich in unterschiedlichen Reifegraden wie in Osteuropa. Bokahsi macht man nicht aus Kraut. Sondern aus sämtlichen Bioabfällen, ob roh oder gekocht, pflanzlich oder tierisch. Man braucht dazu einen luftdichten Behälter und anaerob, also ohne Sauerstoff arbeitende Milchsäurebakterien. Abfälle rein, Milchsäurebakterien rein, Deckel drauf, abwarten. So kann man den Bioabfall auch in der Küche verwerten. Allein die luftdichte Verpackung sorgt dafür, dass es keine Geruchsbelästigung gibt. Bokashi selbst wird oft als geruchlos angepriesen. Im besten Fall aber riecht es wie Sauerkraut. EM-Gurus empfehlen, die entstehende Flüssigkeit regelmäßig zu entfernen und bei Zugabe neuer Abfälle wieder EM drüberzuleeren. Nun, Sauerkraut bleibt im Saft – da die Bakterien anaerob arbeiten, ist es egal. Wenn neues Material aber im Kübel benetzt wird, braucht man so nichts drüberschütten, was Geld kostet. Hat man einen Bokashikübel mit Abflusshahn, so kann man ja unten auslassen und oben drüberschütten. Ich habe nur einen normalen, luftdicht verschließbaren Kübel. Reicht auch.
Wozu das Ganze? Schmeckt es wie Sauerkraut? Nun, obwohl man das Ergebnis theoretisch konsumieren könnte, wird man das im Normalfall doch nicht tun. Aber wenn man bedenkt, wie häufig man Biomüll ausleeren muss, will man keine Fliegen und keinen Geruch in der Wohnung, so lohnt schon das. Der entstehende „Sauerkrautsaft“ kann, 1:20 mit Wasser verdünnt, als Pflanzendünger auch für Topfpflanzen verwendet werden. Unverdünnt ist das Zeug sehr sauer und zusammen mit aktiven Bakterien, die auch Aerob, also mit Sauerstoff arbeiten können, können angeblich Haare etc. im Abfluss langsam aufgelöst werden. Dauert aber und ist wohl nur praktikabel, wenn man es ausleert, bevor man ins Wochenende fährt. Milchsäure kann auch als Reinigungsmittel verwendet werden – wenn der Milchsäureduft nicht stört, weil man zu sehr an großteils künstliche Apfel- und Zitronengerüche gewöhnt ist. Ist aber nicht meins. Weder der eine, noch der andere Geruch. Ich bleibe beim Dünger. Wobei sich auch Mehltau nicht freut, wenn man auf ihn ein Säureattentat verübt. Leider habe ich zuhause keine Pflanze mit Mehltau. Harrt also noch der Erprobung.
Und der Rest von dem Dreck? Wäre auch essbar. Muss nicht sein. Wer einen Garten hat, kann das teilweise aufgeschlossene Material in den Boden einbringen oder fertigkompostieren. Die Milchsäure ist ja ein natürliches Konservierungsmittel. Daher behält der Abfall weitgehend seine Form, wird aber weich. Um zu Humus zu werden, muss die Milchsäure in natürlicher Umgebung abgebaut werden. Wer keinen Garten hat, der schmeißt den Rest halt wie ich in die Biotonne.
Tja, und, oh Wunder, man hat festgestellt, dass Salat, den man mit EM besprüht, länger hält. Wie gesagt: Milchsäure = natürliches Konservierungsmittel. Das kann man natürlich wie beim Sauerkraut für alles Mögliche nutzen. Auch roher oder gekochter Fisch, Fleisch etc. lassen sich milchsauer einlegen und so haltbar machen. Ich persönlich liebe milchsauer eingelegte Topinambur. Die blähen dann nicht mehr. Eigentlich keine Hexerei: Alles, was untergetaucht ist, ist haltbar. Was herausschaut, verdirbt. Bei Gemüse hat es sich daher bewehrt, es zu zerkleinern. Dicht gepresst braucht man weniger Flüssigkeit. Tierische Produkte sollten mit pflanzlichen gemischt eingelegt werden, denn die sind die bessere Nahrung für die Milchsäurebakterien und damit Basis von deren Milchsäureerzeugung.
So, und wie mache ich das, wenn ich keinem EM-Guru über den Weg traue? Für all das reicht der Saft von frischem, nicht im Packerl pasteurisiertem Sauerkraut. Oder Buttermilch, Sauermilch etc. Aber eigentlich sind Milchsäurebakterien überall. Frisches ungewaschenes Pflanzenmaterial unter Wasser und unter Luftabschluss gehalten, führt mit großer Wahrscheinlichkeit auch zum Erfolg und zu einer „Stammlösung“.