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Tarnen und Täuschen

Von Mimese und Mimikry

Während Schauspieler*innen selbst am 1. April gerne hervorstechen, lautet die Devise zum Überleben für viele Tierarten: Bloß nicht auffallen! Um nicht von Feinden entdeckt zu werden oder um selbst erfolgreich zu jagen hat sich die Natur einiges einfallen lassen.

Die Kunst, sich unsichtbar zu machen, zeigen uns Chamäleons mit verblüffenden Farbspielen, Eisbären im Schnee oder Stabheuschrecken, die in Ästen wackelnd den Wind nachahmen. Weltweit gibt es diese Meister der Tarnung zu entdecken. Täuschend echt ahmen sie durch „MIMESE“ ihre Umgebung nach und passen Oberflächen wie Fell oder Gefieder, Schuppen, Farbe oder selbst das Verhalten daran an. Lebewesen wollen von Feinden nicht entdeckt werden und werden deshalb eins mit dem Hintergrund. Auf den ersten Blick halten wir sie für Rinde, Laub, Zweige, Steine oder Blüten.

Einige Tiere geben sich fast nicht zu erkennen. Nur wer genau hinsieht, kann sie auch bei uns in Verstecken aufspüren: Rehkitze mit hellen Flecken, die das Sonnenlicht im Dickicht nachahmen.
Das perfekte Versteckspiel führt aber nicht nur Feinde in die Irre.

Auch bei der Jagd profitieren viele davon. Wenn es bei uns auch nicht Raubtiere wie Eisbären, Leoparden und Löwen sind, die mit ihren an die Umgebung angepassten Fellen unbemerkt an ihre Beute heranschleichen und ihr schließlich das Fell über die Ohren ziehen…
Hierzulande werden Tarnkappen für eine erfolgreiche Jagd auch von kleineren Räubern genutzt wie etwa vom Ameisenlöwen, der Larve der Ameisenjungfer. An geschützten Stellen im sandigen Boden finden sie sich öfter in ganzen Kolonien kreisrunder, trichterförmiger Gruben. Zu den häufigeren zählt die Gefleckte Ameisenjungfer Euroleon nostras, die an etwas unbeholfene Libellen erinnert.

Perfekt versteckt" sind auch Veränderliche Krabbenpinnen, die auf den jeweiligen Blüten, den entsprechend farbabgestimmten unauffälligsten Look annehmen. Den Namen haben sie aufgrund ihrer beiden kräftigen, langen Vorderbeinpaare. Die bis zu elf Millimeter großen Weibchen können wie Chamäleons aktiv die Körperfarbe ändern - von weiß, gelb bis grünlich - für Feinde und mögliche Opfer, selbst Hummeln, Hornissen und große Schmetterlinge „unsichtbar“. Mehr als 20 unterschiedliche wissenschaftliche Namen zeugen von der Verwandlungsfähigkeit von Misumena vatia, die ihre Eier in Kokons versteckt ablegt und bewacht.

Einen anderen Deckmantel nutzt die sogenannte „MIMIKRY“, die „schützende Nachahmung“. „Mimikry“ ist nicht gleich „Tarnung“, denn diese ist die Nachahmung von unbelebten Objekten, um möglichst wenig sichtbar zu sein. Die Bezeichnung leitet sich von mimicry (= „Nachahmung“), ab und von mimen= „nachahmen“ vom altgriechischen mimos, der Nachahmer, Imitator, Schauspieler. Auch diese Art der Tarnung verwendet das Prinzip des Imitierens. Allerdings wird hier nicht die Umgebung nachgeahmt, sondern ihrem Aussehen nach gefährliche Tiere und damit Gefahr vorgegaukelt. Schwarz-gelb und stark gemustert gilt ja auch für uns Menschen als Warnsignal im Schilderwald. Dass Wespen und Hornissen uns mit ihren Farben und Zeichnungen vorsorglich warnen, ist eigentlich ausgesprochen nett.

Harmlose Schwebfliegen machen sich das zunutze. Beim raschen Vorbeifliegen ist es für einen Vogel nur schwer abzuschätzen, ob es sich nicht doch um etwas Gefährliches handelt. Dank ihres schnellen Flügelschlags - bis zu 300 Schläge in der Sekunde - können sie ähnlich einem Helikopter in der Luft stehen, schlagartig die Flugrichtung ändern und selbst rückwärts fliegen. Gegen größere Fressfeinde können Schwebfliegen, die keinen Stachel besitzen, sonst nicht viel tun. Mit dem Recht des Stärkeren müssen sie als besonders kleine, wehrlose Art zurande kommen. Und auch langsame Arten brauchen Taktiken. Alle sind sie stets auf der Hut und passen auf, dass ihnen niemand auflauert. Wer sich nur schlecht verteidigen kann, muss sich eben anders helfen. Zu den harmlosen Tieren, die sich als Räuber „verkleiden“, zählen auch der Echte Widderbock Clytus arietis, ein Käfer, oder der Hornissen-Glasflügler Sesia apiformis, ein Schmetterling.

Im Mulm alter Laubbäume entwickeln sich die Larven der Kamm-Schnaken. Sie sind ebenfalls total harmlos und können trotz der imposanten gelb-orange-schwarzen Färbung nicht stechen.

Auch Hummeln werden von einem Schmetterling nachgeahmt: vom Hummelschwärmer.

Warnfarben wie Schwarz-, Gelb- und Rot-Töne stehen in der Natur also für Gefahr und daneben als ein gut merkbares Signal für Fressfeinde, dass es sich um ungenießbare oder gar giftige Beute handelt, wie etwa beim Feuersalamander. Auch Unken und Molche nutzen diesen Trick. Bei Gefahr drehen sie sich auf den Rücken und präsentieren ihren gelben (Gelbbauchunke) oder roten Bauch (Rotbauchunke). Und ein Molch hatte weit weg vom Teich beim Überwintern im Staudenbeet aufgeschreckt den gleichen Trick auf Lager. Dramatisches Posen aber macht auch ohne Farbe gleich weniger Lust aufs Fressen. Eidechsen und Geckos verlieren in Krisensituationen deshalb schon mal einen Schwanz, der durch Zuckungen weitere Aufmerksamkeit erregt.

Unkenrufe braucht es nicht, denn manche Tiere nutzen Tricks, um andere mit ihrem Aussehen hinters Licht zu führen. So tun als wären sie anders, das machen manche von uns nur während des Faschings. Aber auch in der Fastenzeit bleibt Verkleidung in der Natur ein Erfolgsmodell. So gaukeln auch viele andere Insekten, wie Schmetterlinge oder Käfer durch ihr Erscheinungsbild vor, viel gefährlicher zu sein, als sie es in Wirklichkeit sind.

Schmetterlinge ahmen nicht nur ungenießbare Artgenossen nach. Bei ihnen ist nicht alles ein Auge, was danach aussieht: „Augen“ tragen Abendpfauenauge, Nachtpfauenauge, Braunauge und Doppelaugen-Mohrenfalter auch im Namen. auf den Flügeln können sie damit Fressfeinde zunächst überraschen und danach abschrecken. Die „Schrecksekunde“ nutzen sie als Vorsprung zur Flucht. Bei Tagfaltern finden sich die Augen an Oberseiten (Schwalbenschwanz, Tagpfauenauge) und Unterseiten oder beiderseits (Apollofalter, Blaukernauge, Gelbringfalter, Mohrenfalter, Ochsenauge).
Nachtfalter zeigen sie auf allen vier Flügeln (Nachtpfauenauge, Nagelfleck) oder nur auf den Hinterflügeln. Das Abendpfauenauge als Schwärmer hat etwa unscheinbare Vorderflügel, die an dürres Laub erinnern und in Ruheposition die bunten, blauäugigen Hinterflügel verdecken. Wird er Nachtfalter gestört, zieht er die Vorderflügel mit einem Ruck nach vorne. Dabei werden die „schrecklichen Augen“ plötzlich sichtbar. Hat sich die Situation beruhigt ist wieder Tarnen angesagt. In ein Gehölz geflüchtet und mit maskierter Anpassung reglos sitzend, sind sie nicht mehr aufzuspüren. Auf einem Baumstamm mit ihrer perfekten Tarnung geradezu unsichtbar werden Frosts-, Birken- und Pappelspanner je nach der Rindenfarbe der hauptsächlich aufgesuchten Baumarten. Besonders ins Auge stechen die Pfauenspinner, die auf allen vier Flügeln Augen tragen (Nagelfleck, Kleines und Großes Nachtpfauenauge, Ligurisches Nachtpfauenauge).

Selbst Raupen nutzen diese Augen-Strategie. Die von Oleanderschwärmer- oder Weinschwärmer tragen ein Muster, dass an Schlangenaugen erinnert. Daneben können sie sich aufblähen und schlangenartig ruckeln. Fressfeinde denken so: „Vorsicht, Schlange!“ und machen lieber einen großen Bogen um sie.

Manche Tiere nehmen auch das Aussehen von Pflanzen, um Fressfeinde zu überlisten. Hierzulange machen es die Raupen einiger Spanner-Arten spannend, denn Sie tarnen sich als kleine Ästchen mit den entsprechenden Kurven. Den Namen verdanken sie ihrer Fortbewegung, die dabei mit dem letzten Bauchfußpaar und dem Nachschieber hinter die Vorderbeine greifen, so dass sich der Körper einen Bogen bildet. In den Tropen und Subtropen sind „Wandelnde Blätter“ aus der Ordnung der Gespenstschrecken sogar mit Blattadern und ersten Herbstfarben ausgestattet.

Die Natur ist ideenreich, um das Überleben einer Art zu sichern. Pflanzen haben weitere Strategien entwickelt. Da gibt es Pflanzen, die wie Steine aussehen, damit sie nur ja nicht gefressen werden. Dergestalt heißen sie auch Lebende Steine.

Einige Pflanzen wie Aronstab- und Haselwurz-Arten oder die riesige Rafflesia, ziehen mit Aasgeruch Fliegen an, um die Insekten dann mit ihrem Pollen zu beladen. Da gibt aber auch es Pflanzen, die bestimmten Insektenweibchen ähneln und so paarungswillige Männchen täuschen, die dann danach nur mit Pollen beglückt, aber unverrichteter Dinge weiterfliegen. Ragwurz-Orchideen der Gattung Ophrys etwa ähneln in Gestalt und Farbmuster ihrer Blüten bestimmten Insekten so auffallend, dass diese namensgebend wurden: Bienen-Ragwurz, Hummel-Ragwurz oder Fliegen-Ragwurz. Die Blüten der Großen Spinnen-Ragwurz locken mit dem Duft-Pheromon weiblicher Sandbienen schwärmende Drohnen Andrena nigroaenea. Und zwar so unwiderstehlich, dass sie auf diesen Orchideen-Blüten landen und sie auf der Suche nach dem Weibchen bestäuben.

Pflanzen, die vermeintlich Eier legen, gibt es ebenfalls. Passionsblumenfalter Heliconide etwa haben Passionsblumenblätter – für uns bis auf die Maracuja giftig - zum Fressen gern. Damit ihre Nachkommen auch genügend zu fressen haben, legen die Weibchen Eier nur dorthin, wo noch keine liegen. Die Passionsblume fabriziert deshalb winzige Flecken oder Wucherungen auf dem Blatt - für den Schmetterling sind diese Ei-Attrappen täuschend echt. Die blausäurehaltigen Gifte der Blätter aber schützen Raupen und auch noch die Falter vor dem Gefressenwerden. Letztere sind oft aufsehenerregend bunt und warnen potenzielle Fressfeinde vor dem Gift, und so schließt sich der Kreis...

Nicht immer ist es möglich, zwischen Mimese und Mimikry klar Grenzen zu ziehen. Wer weiterlesen will: u.a. haben sich Charles Darwin, Henry Walter Bates, Alfred Russel Wallace, Johann Friedrich Theodor Müller sowie George und Elizabeth Peckham um das Thema verdient gemacht.

Fotos: „Natur im Garten“, Beneš-Oeller, Brocks, Haiden, pixabay

Margit Beneš-Oeller

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