Essbares aus dem Garten

(c) M. Benes-Oeller

Marillenmanie auf Balkonien

Nie genug davon… zum Tag der Früchte

Marillen sind aus meiner Sicht existentiell, weil mir Marillenmarmelade die liebste ist - bisweilen unterbrochen von säuerlichen Beerenphasen. Außerdem gehört ein klassisch-einfacher Marillenblechkuchen ebenso zum Jahresverlauf wie gute Marillenknödel, ganz zu schweigen vom Faschingskrapfen oder Marmelade-Palatschinken. Und was wäre die Sachertorte ohne eine dünne Schicht Marillenmarmelade zwischendrin?  

Deshalb war es lange Zeit mein Wunsch, einen Marillenbaum zu pflanzen – für wirklich gute Marillenmarmelade. Allein der eigene Garten dafür fehlte.

In meiner Ursprungsheimat am Traunsee waren Marillenbäume immer rar und konnten sich nur an geschützten hausnahen Plätzen halten, falls sie nicht der berühmte Schlag traf. Dieses auch als Apoplexie bezeichnete Phänomen ist weit verbreitet, bevor die Bäume das verflixte siebte Jahr vollendet haben. Dabei ist noch nicht vollends geklärt, was an diesem plötzlichen Marillenbaumsterben eigentlich schuld ist:

  • ein ungünstiger Standort – zu dichter Boden, zu kalt oder niederschlagsreich?
  • Stress durch zu hohen Fruchtbehang?
  • Pflegefehler wie zu viel Stickstoffdüngung, Belassen von Fruchtmumien oder Schnittentgleisungen?
  • Falsche Veredelungsunterlagen, die nicht mit der Edelsorte verträglich sind?
  • oder gar Virosen bzw. Phytoplasmen, also bakterielle Erreger?

Fest steht: ab dem 7. Standjahr tritt diese Todesursache seltener auf.

Jedenfalls liegt meine Sehnsucht nach Marillen zu einem guten Teil daran, dass ich nie genug davon hatte. Und nur einmal wurde ich zu einem übervollen Baum gerufen, um körbeweise Marillen zu ernten für köstliche Marmelade, die beste die es gibt... Marillenmarmelade aus vollreifen Früchten mit möglichst wenig zugesetztem Geliermittel und Zucker…

 

Vor vier Jahren durfte ich mit einer Freundin den Baum ihres Schwagers leerernten, der so groß und so voll war mit Früchten, daß die Besitzer*innen schon alles erledigt hatten, was mit Marillen erdenklich und machbar ist. Sie waren froh darüber, wenn jemand zum Ernten kam, und die Früchte andernfalls nicht als breiige Masse am Boden endeten. Denn auch das ist „marillisch“: ist sie reif, muss sie runter, und dann ist es schnell vorbei mit ihr.

Auf einer Wiener Loggia konnte ich den Wunsch nach dem selbst gepflanzten Marillenbaum endlich erfüllen (und nicht nur dort), auch wenn die Ernte nicht reicht zum Einkochen. Dafür gibt es bereits in der dritten Mai- und ersten Juniwoche Früchte für den Rohgenuss. Immerhin gezählte 95 Stück reiften heuer an dem in Summe viereinhalbjährigen Bäumchen. Die Ernte startete auf den obersten Zweigen und kündigte sich durch feinen Marillenduft in der Vormittagssonne an.

 

 

Auf der rundum verglasten West-Loggia mitten in der Stadt herrschen übrigens spanische Klimabedingungen vor: An den Hitzespitzen der letzten Sommer kletterte das Thermometer hier auf über 50°C, auch wenn über dem Glasdach eine Beschattung ausgefahren ist. Auf Fensterhöhe sollte der Glasanbau dann zur Gänze geöffnet sein, kann aber bei Bedarf auch geschlossen werden – etwa im Winter – und wird dadurch quasi zum Glashaus. - Die Pflanzen treiben hier um mindestens einen Monat früher aus als im Freiland, und Zitronenbäume und Ringelblumen können geschützt, aber kalt und hell überwintern. Unter diesen Bedingungen wäre es gar nicht nötig eine frühe Sorte zu pflanzen. Denn wer braucht schon Marillen im Mai? Selbst im Freiland reifen die ersten Marillen bei uns schon im Juni. Das Gute daran: man kann sicher sein, dass sie nicht in der Urlaubszeit reif werden…

Im Frühjahr 2019 wanderte der zweijährig ausgegrabene, wurzelnackte Jungbaum mit dem schönen Sortennamen `Pricia´ auf die Loggia. Sie wurde bereits als ausgesprochen brav und selbstfruchtbar angepriesen und darüber hinaus als äußerst wohlschmeckend, wenn die Früchte am Baum wirklich ausreifen können. Letzteres kann ich leider nicht zur Gänze unterschreiben. Sie schmeckt nicht schlecht, reicht aber an das Aroma einer `Ungarischen Besten´ aus dem Freiland bei weitem nicht heran. Dafür schmecken ihre Kerne fast wie Süßmandeln, während bei den meisten Marillensorten im innersten Kern Bittermandelaroma vorherrscht.

 

 

Gepflanzt wurde sie in einen über 125 l fassenden Topf mit gerundet etwa 50 x 50 x 50 cm Volumen, die ich zuunterst mit einer Drainschicht aus Blähton füllte. Auf ein Vlies als Trennschicht (ein Jutesack oder ein „Mosaik“ aus quer gelegten Tonscherben könnten denselben Zweck ohne Kunstfasern erfüllen… wir werden alle klüger…) folgte eine weitere Drän- und Speicherschicht aus Perlit, legiert mit schwarzkörniger Terra Preta, und darauf jede Menge stark mineralisch durchmischtes, grobkörnig-durchlässiges Intensiv-Substrat und Trogerde. Ganz oben geht es in eine humosere Schicht über. Ich habe nämlich nicht vor, das Bäumchen umzutopfen. Deshalb ist ein luftig strukturierter Aufbau mit verzahnten Körnchen zwingend. Gartenerde allein kann mit den Jahren zusammenpappen und sich setzen, ist also nicht strukturstabil. Und schließlich haben sich schon in der Ungarischen Puszta Marillen auf sandigen Böden in pannonischer Trockenheit und Hitze bewährt.  

 

 

Als gute Gesellschaft setzte ich der braven `Pricia´ Wald- und Monatserdbeeren zur Seite. Es gibt also öfters etwas zu naschen. Einen zeitgleich erstandenen Marillenbaum der Sorte `Tsunami´, den ich selbst ausgewählt hatte aufgrund der Beschreibung als frühe Sorte mit ausgezeichnetem Geschmack, konnte ich wegen seines üppigeren Wuchses aber nicht in einen Topf zwängen, deshalb wanderte er bei nächster Gelegenheit in einen Garten.

 

 

`Pricia´ dürfte es hier ganz gut gefallen. Während ein Pfirsichbaum nebenan in der warmen Jahreszeit arg mit Spinnmilbenbefall zu kämpfen hatte, nur äußerst wenige, winzige und wässrige Früchte ohne jedes Aroma hervorbrachte und deshalb ebenfalls ins Freiland entlassen wurde, präsentiert sich die Marille – ebenso wie die Weinreben - völlig schädlingsfrei und mit sattgrünem Laub bis spät in den Herbst. – Als echte Sonnenanbeterin, die die Hitze nicht scheut.
 


Fotos: Anna Leithner, Margit Benes-Oeller, Claudia Klier

 

Anna Leithner

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